Aus Sicht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehören Antibiotikaresistenzen zu den zehn wichtigsten Gesundheitsbedrohungen weltweit, wobei Carbapenem-resistente gramnegative Bakterien das bedeutendstes Pathogen seien.
Um mehr Klarheit über dieses Problem zu erlangen, sammelt das Nationale Referenzzentrum (NRZ) für gramnegative Krankenhauserreger seit 2009 deutschlandweit Daten über solche Bakterien. Das NRZ konnte 2020 erneut eine Vielzahl von Carbapenemase-produzierenden Bakterienstämmen nachweisen, wie es im Jahresbericht 2020, publiziert am 9. September 2021, heißt (Epidemiologisches Bulletin 36, 2021). Erstmals seit 2009 verzeichnete das Zentrum aber einen Rückgang der Einsendezahlen. Der beruhe aber sehr wahrscheinlich auf den Begleiterscheinungen der COVID-19-Pandemie, vermutet das Autorenteam. So wurden 2020 beispielsweise erheblich weniger Menschen in Krankenhäusern behandelt und auch die Reisetätigkeiten der Bevölkerung waren deutlich geringer als in den Jahren vor der Pandemie, sodass es zu weniger Übertragungen in Krankenhäusern oder Neueinträgen aus dem Ausland gekommen ist. Dennoch betonen die NRZ-Wissenschaftler die weiterhin große Bedeutung der Überwachung von multiresistenten Bakterien sowie die korrekte Gabe und Einnahme von Antibiotika.
Am Nationalen Referenzzentrum werden Bakterienisolate aus Kliniken in ganz Deutschland untersucht, die z.B. aus Urinproben oder Abstrichen unter anderem von Wunden stammen. Der Fokus liegt hierbei auf der Untersuchung von Bakterienstämmen, die gegen eine Vielzahl von Antibiotika resistent sind und damit eine Multiresistenz aufweisen. „Besonders wichtig ist dabei die Detektion von Carbapenemasen“, erklärt Dr. rer. nat. Niels Pfennigwerth vom NRZ: „Das sind bakterielle Enzyme, die die wichtigsten in der Humanmedizin angewendeten Antibiotika inaktivieren und ein Bakterium damit resistent gegen diese Antibiotika machen können.“ Besonders gefährlich ist, dass die Gene, die den Bauplan für diese Enzyme darstellen, häufig zwischen verschiedenen Bakterien übertragen werden können. „Deswegen ist die schnelle und verlässliche Detektion von Carbapenemasen für die Krankenhaushygiene von enormer Bedeutung“, so Pfennigwerth.
Die häufigste in Enterobacterales wie Escherichia coli oder Klebsiella pneumoniae nachgewiesene Carbapenemase war in den Vorjahren OXA-48, während in Pseudomonas aeruginosa VIM-2 und in Acinetobacter baumannii OXA-23 weiterhin die am häufigsten nachgewiesenen Carbapenemasen in Deutschland sind. Auch beobachtet das NRZ seit einigen Jahren einen deutlichen Anstieg der Nachweise der beiden Carbapenemasen NDM-5 und OXA-244, welche auch im Jahr 2020 zu beobachten waren und weiter aufmerksam verfolgt werden.
Pressemitteilung Ruhr-Universität Bochum, September 2021
Pressemitteilung WHO, Oktober 2020