Mit den publizierten Konzepten der Studien INTERLACE, innovaTV 301 wie auch der KEYNOTE-A18 stehen für Patientinnen mit fortgeschrittenem primärem Zervixkarzinom Verbesserungen für die kurativ intendierte Radiochemotherapie zur Verfügung, die bereits Einzug in den klinischen Alltag gefunden haben.
Obwohl die Prävalenz des Zervixkarzinoms durch Screening und HPV-Impfung in den vergangenen Jahren erheblich abgenommen hat, stellt dieses Malignom weltweit immer noch eine Herausforderung dar. Global erkranken über 600 000 Frauen pro Jahr neu, ca. 350 000 Frauen sterben daran [1].
Trotz der erwähnten positiven Entwicklung werden auch in Deutschland immer noch regelmäßig Patientinnen mit einem lokal fortgeschrittenen Tumor (Stadium FIGO IIb–IV) diagnostiziert. In diesen Fällen wird in der Regel nicht primär operiert. Meist stehen für diese Patientinnen strahlentherapeutische und systemische Therapieoptionen zur Verfügung.
Über eine lange Zeit hat es hier keine gravierenden Fortschritte in den Therapiekonzepten gegeben. Aktuell wurden jedoch mehrere große prospektive Studien publiziert, die klare Verbesserungen gezeigt haben und die daher entweder bereits Eingang in Empfehlungen und Leitlinien gefunden haben oder zumindest intensiv diskutiert werden.
INTERLACE-Studie
Ca. 30 % aller Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem Zervixkarzinom, die eine kurativ intendierte primäre Radiochemotherapie erhalten, erfahren dennoch ein Rezidiv [2]. Ziel der Studie war es, zu evaluieren, ob das Vorschalten einer wöchentlichen Chemotherapie (Induktionschemotherapie) vor der anstehenden regulären Radiochemotherapie zu einer Reduktion der Tumorlast und des Risikos einer frühen Metastasierung führen kann [3].
In der zwischen 2012 und 2022 durchgeführten Phase-III-Studie an 500 Patientinnen mit primärem, lokal fortgeschrittenem Zervixkarzinom erhielt die Hälfte der Patientinnen die konventionelle Radiochemotherapie (Cisplatin 40 mg/m² wöchtl.), die andere Gruppe wurde zusätzlich vorweg mit einer Induktionschemotherapie (Carboplatin AUC 2 und Paclitaxel 80 mg/m² wöchtl. über 6 Wochen) therapiert. Nach einem medianen Follow-up von 67 Monaten wurde für Patientinnen mit Induktionschemotherapie ein medianes 5-Jahres-progressionsfreies Überleben (PFS) von 72 % gefunden, gegenüber 64 % bei Patientinnen, die nach Standardtherapie (HR 0,65; 95%-KI 0,46–0,91; p = 0,013) behandelt wurden. Für das 5-Jahres-Gesamtüberleben (OS) wurde ein Unterschied von 80 % vs. 72 % berichtet (HR 0,6; 95%-KI 0,40–0,91; p = 0,015) (Abb. 1). Toxizitäten ≥ Grad 3 wurden bei 59 % der Patientinnen mit Induktionschemotherapie festgestellt, gegenüber 48 % bei konventioneller Radiochemotherapie.
Keynote-A18-Studie
Das Zervixkarzinom ist ein hoch immunogener Tumor, nicht zuletzt dadurch, dass seine Pathogenese eng mit einer Virusinfektion zusammenhängt. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, dass auch immuntherapeutische Ansätze in der Behandlung des primär fortgeschrittenen Karzinoms evaluiert werden. Insbesondere, da mit den positiven Daten der KEYNOTE-826-Studie bereits durch die Hinzunahme des Checkpoint-Inhibitors Pembrolizumab eine klare Verbesserung der Prognose von Patientinnen mit fortgeschrittenem Tumorleiden in palliativer Situation nachgewiesen werden konnte [4].
Zwischen 2020 und 2022 behandelte das Autorenteam der KEYNOTE-A18-Studie 1 061 Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem Zervixkarzinom an 176 Zentren in 30 Ländern [5,6]. Die Studienteilnehmerinnen erhielten eine kombinierte Radiochemotherapie in typischer Weise – Cisplatin-basiert. Dazu wurde 1 : 1 randomisiert entweder eine Therapie mit Pembrolizumab 200 mg über 5 Zyklen, gefolgt von 15 Zyklen Pembrolizumab 400 mg q6w durchgeführt versus einer entsprechenden Therapie mit Placebo. Nach einem medianen Follow-up von 29,9 Monaten wurde ein medianes 3-Jahres-OS von 82,6 % für die Patientinnen mit Hinzunahme von Pembrolizumab evident, gegenüber 74,8 % bei Patientinnen, die nach Standard therapiert wurden (HR 0,67; 95%-KI 0,50–0,90; p = 0,0040). Die Rate an Toxizitäten, die Grad 3 oder mehr ausmachten, lag im experimentellen Arm bei 78 % gegenüber 70 % bei den Patientinnen, die die reguläre Radiochemotherapie erhielten. Erwartungsgemäß waren mehr immunvermittelte Nebenwirkungen unter den Patientinnen, die die Checkpoint-Inhibitor-Therapie bekamen, zu verzeichnen, gegenüber den Patientinnen mit Standardbehandlung (39 % vs. 17 %).
innovaTV 301/ENGOT-cx12/GOG-3057-Studie
Die Prognose von Patientinnen mit rezidivierendem oder metastasiertem Zervixkarzinom ist schlecht. Das Gesamtüberleben liegt zwischen 12 und 18 Monaten und das bisherige Rückgrat der Behandlung bildeten platinbasierte Chemotherapieregime. Wie bereits erwähnt hatte die Hinzunahme von Pembrolizumab für geeignete Patientinnen (PD-L1-exprimierende Tumoren mit einem CPS ≥ 1) zuletzt einen gewissen Benefit erzielen können. Dennoch ist der Krankheitsverlauf als chronisch und rezidivierend anzusehen und es müssen Konzepte auch für eine zweite oder dritte Behandlungslinie vorliegen.
Die InnovaTV 301/ENGOT-cx12/GOG-3057-Studie verglich eine Behandlung mit dem Antibody-Drug-Konjugat (ADC) Tisotumab-Vedotin 1 : 1 mit einer Chemotherapie (treatment of physician’s choice, TPC) [7]. Tisotumab-Vedotin ist aus einem Antikörper gegen das von Tumorzellen exprimierte Protein „tissue factor“ und dem zytostatischen Anteil Monomethylauristatin E (MMAE), einem Mikrotubuli-Disruptor, aufgebaut (Abb. 2). Innerhalb dieser Studie wurden 502 Patientinnen entweder mit dem Studienmedikament in einer Dosis von 2,0 mg/kg Körpergewicht q3w i. v. oder einer Chemotherapie nach Wahl des behandelnden Zentrums (TPC) behandelt (zur Auswahl standen: Topotecan, Vinorelbin, Gemcitabin, Irinotecan oder Pemetrexed). Das OS lag bei 11,5 vs. 9,5 Monaten. Dies führte zu einer 30%igen Reduktion des Risikos, an der Tumorkrankheit zu versterben (HR 0,70; 95%-KI 0,54–0,89; p = 0,004). Das PFS lag bei 4,2 Monaten vs. 2,9 Monaten und die Gesamtansprechrate (ORR) bei 17,8 % vs. 5,2 %. Die Rate an Grad-3/4-Nebenwirkungen unterschied sich mit 52 % bzw. 62,3 %.

Mit den publizierten Konzepten der INTERLACE-Studie wie auch der KEYNOTE-A18-Studie stehen für Patientinnen mit fortgeschrittenem primärem Zervixkarzinom Verbesserungen für die kurativ intendierte Radiochemotherapie zur Verfügung, die bereits Einzug in den klinischen Alltag gefunden haben.
Mit Tisotumab-Vedotin wurde eine Alternative zu den bisherigen Behandlungsoptionen zugelassen, mit der jenseits der reinen Chemotherapie und neben der Immuntherapie ein weiterer, vielversprechender Ansatz besteht, weitere Lebenszeit mit zufriedenstellender Verträglichkeit für palliativ erkrankte Zervixkarzinompatientinnen zu erzielen.

Der Autor
Prof. Dr. med. Michael Eichbaum
MHBA, Direktor der Klinik für Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie
Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken, Wiesbaden
Die Autorin
Dr. med. Christine Eichbaum
Oberärztin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken
65199 Wiesbaden
Bildnachweis: privat