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Gynäkologie

Hormontherapie

Klimakterische Beschwerden messen und individuell therapieren

Prof. Dr. med. Thomas Römer und Dr. Reinhard Merz

Etwa ein Drittel der Frauen in den Wechseljahren leidet stark unter der Hormonumstellung. Doch welche Symptome sollten zuerst therapiert werden und auf welche Risiken ist zu achten? Wir werfen einen Blick auf die Behandlung der Patientinnen.

Die von Patientinnen berichteten Probleme während der Wechseljahre sind vielfältig: Hitzewallungen, Schlafstörungen, Reizbarkeit gehören dazu, ebenso Erschöpfungszustände und depressive Verstimmungen. Zudem kann die Haut trockener werden, das Haar dünner, Gelenk- und Muskelbeschwerden tauchen auf. Scheidentrockenheit und Schmerzen beim Verkehr können zu nachlassendem Interesse am Sex führen, Blasenbeschwerden und Harnwegsinfekte die Lebensqualität belasten. Das Erstgespräch mit der Patientin sollte sich um drei Themen drehen:

1. Welche Beschwerden stehen im Vordergrund?

2. Ist die Patientin offen für eine Hormontherapie?

3. Gibt es individuelle Risikofaktoren?


Welche Beschwerden stehen im Vordergrund?

Um die Beschwerden für die nötige Behandlung zu katalogisieren und zur Erfolgskontrolle der eingeschlagenen Therapie wurde, 1994 die sogenannte Menopause Rating Scale (MRS) und einige Jahre später die MRS II publiziert, die weitere Faktoren hinzufügte. Der MRS-II-Test hat sich bei einer Evaluation im Rahmen der Deutschen Kohortenstudie zur Frauengesundheit als methodisch verlässlich gezeigt.[1] Mit dem MRS II steht uns ein einfaches und bewährtes Instrument zur Diagnostik und Quantifizierung der klimakterischen Beschwerden zur Verfügung, das ein individuelles Profil jeder Patientin liefert (Abb. 1). Dabei wird in elf verschiedene Beschwerdebilder unterschieden – „keine Beschwerden“ über „sehr leichte“, „leichte“, „mittlere“, „starke“ bis „sehr starke“ und den Punktwerten 0 bis 5. Zur Häufigkeit der verschiedenen klimakterischen Symptome gehen die Angaben in der Literatur weit auseinander. Manche Autoren unterscheiden als Untergruppen den „vegetativen“ Typ mit Hitzewallungen, Herzbeschwerden und Schlafstör­ungen, den „psychologischen“ Typ mit Nervosität (Reizbarkeit), Ängstlichkeit, Erschöpfung und Sexualproblemen und den „genitalen“ Typ mit Harnwegsbeschwerden und trockener Scheide sowie Gelenk- und Muskelbeschwerden.[2] Ist unklar, ob die Symptome tatsächlich hormonell bedingt sind – etwa bei hysterektomierten Patientinnen – ist die Bestimmung von Estradiol und FSH im Serum empfehlenswert. Liegt ein Verdacht auf Funktionsstörungen der Schilddrüse vor, sollten die Schilddrüsenhormone parallel überprüft werden. Die immer wieder diskutierte Bestimmung des Anti-Müller-Hormons ist nicht aussagekräftig.


Wie offen ist die Patientin für eine HT?

Auch wenn aktuelle Veröffentlichungen im JAMA3 die Ergebnisse der WHI-Studie von 20024 in weiten Teilen revidieren, sind die Auswirkungen noch erheblich. Nach der Publikation der Studie ging die Verordnung von Hormonen um 70 % zurück und auch heute hören viele Patientinnen von Freundinnen oder in den Medien: „Hormontherapie macht doch Brustkrebs!“. Kommt bei der Frage nach der Einstellung zur Hormonsubstitution das Brustkrebsrisiko zur Sprache, sollten Sie den Fokus auf die Fakten legen: Eine kombinierte HT kann das Mammakarzinomrisiko erhöhen, dieses Risiko steigt mit der Dauer der Anwendung. Die Lifestyle­-Risiken vieler Patientinnen, Übergewicht, Fehlernährung, Bewegungsmangel, Alkohol und Rauchen, haben de facto aber einen wesentlich größeren Einfluss auf das Mammakarzinomrisiko als eine HT. Wichtig ist es deshalb, die Nutzen der HT bei korrekter Indikationsstellung und Anwendung den Risiken gegenüber zu stellen und mit der Patientin zusammen zu einer individuellen Entscheidung zu kommen. Bei Patientinnen, die eine Hormontherapie grundsätzlich ablehnen, kann man Phytopräparate individuell ausprobieren, wobei hier keine belastbaren Daten vorliegen. Manche Frauen profitieren auch von alternativen Methoden wie Qigong, Yoga oder Tai-Chi. Kommen diese Frauen aber nach Wochen zurück, ohne eine Besserung der Symptome, sollte die Diskussion über eine Hormon­therapie noch einmal geführt werden. Ein Teil der Patientinnen steht der HT nach Fehlschlägen mit anderen Therapieformen offener gegenüber. Ist die Patientin in Bezug auf eine Hormontherapie ambivalent, sollte man ihr auf jeden Fall Bedenkzeit lassen und eine Entscheidung auf den nächsten Besuch verschieben. Wir vereinbaren dazu einen Folgetermin in ca. sechs Wochen. Da sich die Patientinnen in der Zwischenzeit auch bei Dr. Google informieren, geben wir Informationsmaterial mit und verweisen auf die teilweise unsachliche und emotionale Diskussion im Internet.


Welche Risikofaktoren sind zu beachten?

Kontraindikationen für eine Hormontherapie sind Mamma- und Endometriumkarzinome. Das relative Risiko für eine Thromboembolie ist abhängig vom Grundrisiko der Patientin. Da es aktuell in Deutschland keine gültige Leitlinie gibt, welche die Risikofaktoren nach der aktuellen Studienlage differenziert, sollte man aushilfsweise die Richtlinien für die Verordnung kombinierter oraler Kontrazeptiva heranziehen. Diese empfiehlt den Verzicht auf eine Verordnung in den folgenden Fällen:

• bestehende Thromboembolie oder Thromboembolie in der Vorgeschichte

• bekannte Blutgerinnungsstörungen

• Migräne mit fokalen Symptomen (Aura)

• Diabetes mellitus mit Gefäßschädigung

• sehr hoher Blutdruck, syst. > 160, diast. > 100 mmHg

• sehr hohe Blutfettwerte

Bei mehr als einem der folgenden Risikofaktoren sollte eine Hormontherapie kritisch hinterfragt werden:

• BMI über 30 kg/m2

• Raucherin

• hoher Blutdruck, syst. 140–159, diast. 90–99 mmHg

• hohe Blutfettwerte

• Migräneanfälle

• kardiovaskuläre Erkrankung wie Vorhofflimmern, Herzrhythmusstörungen, KHK o. Ä.

• Diabetes mellitus

• andere Erkrankung mit erhöhtem Thromboserisiko

• Medikation mit erhöhtem Thromboserisiko (z. B. Corticosteroide, Neuroleptika, Antipsychotika, Antidepressiva, Chemotherapeutika


Das sagen Leitlinien und Empfehlungen

Mehr als 100 Studien haben seit 2002 die ­WHI-Studie erweitert und kommentiert. Nach ­aktueller Datenlage ist zu erwarten, dass bei ­früher Substitution (im Alter unter 60 Jahren) unter Vermeidung langjähriger Estrogendefizite, für nicht mit speziellen Risikofaktoren oder Vorerkrankungen belastete Frauen, der Nutzen einer indizierten HT die Risiken meist überwiegt. International gelten die Empfehlungen der amerikanischen Menopause-Gesellschaft derzeit als Standard,[5] für Deutschland die Anwendungsempfehlungen von neun gynäkologischen Fachgesellschaften aus dem Jahr 20156:

• Zugelassene Indikationen sind klimakterische und urogenitale Beschwerden. Hinsichtlich präventiver Wirkungen ist derzeit die Primärprävention der Osteoporose zugelassen (mit Einschränkungen).

• Weitere wichtige präventive Wirkungen, die im Einzelfall berücksichtigt werden sollten, sind eine Protektion des Kolonkarzinoms, die Reduktion des Risikos hinsichtlich der Entwicklung eines Diabetes mellitus II (und damit auch des metabolischen Syndroms) und von Myokardinfarkten.

• Die HT ist die wirksamste Behandlungsform vasomotorischer Sym­ptome (Leit­symptom Hitzewallungen). Auch andere häufig im Klimakterium auftretende Be­schwerden können ­gebessert oder behoben werden, wie Schlaf­störungen, depressive Ver­stim­mun­gen, Leistungsverminderung, Knochen- und Gelenksymptome, Seh-, Haut- und Schleimhautveränderungen, Effluvium u. a.

• Sowohl die topisch wirkende vaginale als auch die systemisch wirksame (orale oder transdermale) Gabe von Estrogenen ist zur Therapie und Prophylaxe der Urogenitalatrophie geeignet.


Individuell therapieren

Grundsätzlich gilt bei der Applikation von Hormonen die Maxime, so wenig Wirkstoff wie möglich und so viel wie nötig an den gewünschten Wirkort zu transportieren. Bei oraler Gabe von natürlichen Steroidhormonen, ist mit einem ausgeprägten hepatischen First-Pass-Metabolismus zu rechnen. Daher erreichen nur 5–10 % des Wirkstoffes den Wirkort, sodass die Einzeldosen im Vergleich zu anderen Applikationsformen hoch gewählt werden müssen. Durch die vergleichsweise hohe Permeabilität der Haut für 17-ß-Estradiol ist das Erreichen therapeutisch relevanter Plasmaspiegel auch transdermal möglich. Pflaster, Cremes und Spray umgehen den First-Pass-Effekt und sind in der Lage, für konstante Serumspiegel zu sorgen. Spray und Gel sind dabei mit ein bis drei Sprühstößen oder Hüben indi­viduell dosierbar – angepasst nach Stärke der Beschwerden und BMI.  Ein wichtiger Aspekt bei der Ausrichtung der HT ist die Lebensphase der Patientin. In der Perimenopause – hier kommen die meisten Patientinnen mit Beschwerden in die Praxis – muss eine systemische Estrogentherapie mit einer ausreichend langen Gabe von Gestagenen kombiniert werden. Die­ Kon­sen­susempfehlung spricht von mindestens zehn ­Tagen, möglichst jedoch 12–14 Tage pro Monat, bzw. kontinuierlich in suffizienter Dosierung. Im Einzelfall und mit entsprechenden Kontrollen kann eine Gestagenzugabe in längeren als monat­lichen Abständen (z. B. dreimonatlich) zur Anwendung kommen. Nach derzeitiger Datenlage dürfte eine Endometriumprotektion auch durch ein LNG-IUS erreicht werden. Vor allem wenn die Notwendigkeit einer Kontrazeption besteht oder die Patientin unter Blutungsstörungen leidet, ist ein LNG-IUS indiziert. Hysterektomierte Frauen können mit einer Es­trogen-Monotherapie behandelt werden. Die verschiedenen Partialwirkungen der Gestagene erlauben eine Therapie nach Maß. Bei Frauen mit Androgenisierungserscheinungen wie Akne, Haarausfall oder Hirsutismus bieten sich Gestagene vom Antiandrogentyp wie Cyproteronacetat, Chlormadinonacetat, Dienogest oder Drospirenon an. Cyproteronacetat wird aufgrund seiner antiandrogenen Potenz als Monotherapie zur Behandlung der Akne eingesetzt. Da Akne über das gesamte Leben persisitieren oder im Rahmen der Hormon­umstellung in der Perimenopause wieder auftreten kann, ist der Einsatz auch im Rahmen einer Hormontherapie möglich. Bei einem Androgenmangelsyndrom wird eher ein Gestagen mit androgener Partialwirkung (Norethisteronacetat, Levonorgestrel) eingesetzt. Das ist immer dann ratsam, wenn die Patientin über urogenitale Beschwerden oder Libidostörungen klagt. Der antimineralocorticoide Effekt von Drospirenon wirkt antidiuretisch. Er kann bei Frauen mit Hang zur Ödembildung genutzt werden. Eine retrospektive Analyse von 2012 auf Basis von 3,3 Millionen Follow-up-Jahren von Frauen mit HT kam zu dem Schluss, dass die transdermale Gabe von Estrogen alleine das Risiko für venöse Thromboembolien gegenüber Nichtnutzerinnen nicht erhöht, während die orale Gabe von Estrogen- oder Kombinationspräparaten zu einem höheren Risiko führte[7] (Abb. 2). Der Unterschied steigt mit dem BMI und ist besonders relevant für Patientinnen mit einem BMI über 30 kg/m2.8 Hier ist die orale Gabe relativ kontraindiziert. Auch die internationalen Leitlinien zur ­Hormontherapie setzen aufgrund des besseren Nebenwirkungsprofils vor allem auf transdermale Applikation.[9–11] Die Empfehlungen enthalten keine Hinweise auf eine zeitliche Begrenzung der Hormontherapie, wohl aber den Hinweis, den Status jährlich zu überprüfen. Entscheidend für jede HT ist ein möglichst früher Beginn bei noch gefäßgesunden Frauen. Diese profitieren kurz- und langfristig von einer Hormonsubstitution.

[1] Heinemann K et al., Zentralbl Gynakol 2002; 124: 161–163
[2] Hauser GA et al., Journal für Menopause 1999; 6: 12–15
[3] Manson JE, JAMA 2017; 318: 927–938
[4] Rossouw JE et al., JAMA 2002; 288: 321–333
[5] NA Menopause Society. Menopause 2017; 24: 728–753
[6] Frauenarzt 2015; 56: 657–660
[7] Sweetland S et al., J Thromn Haemostas 2012; 10: 2277–2286
[8] Canonico M et al., J Thromn Haemostas 2006; 4: 1259–1265
[9] Stuenkel CA et al., J Clin Endocrin Metab 2015; 100: 3975–4011
[10] NICE Guideline 2015. www.nice.org.uk/guidance/ng23
[11] Baber RJ et al., 2016; 109–150. doi: 10. 3109/13697137.2015.1129166

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