Im vergangenen Jahr sind mehrere Studien erschienen, die den Zusammenhang zwischen Gehör und Kognition untermauern. Auch mehren sich Hinweise auf den möglichen Nutzen einer Hörgeräteversorgung für die Demenzprävention.
Prof. Dr. med. Gerhard Hesse (Bad Arolsen) stellte eine deutsche Modellierungsstudie zum Präventionspotenzial bei Demenz vor [1]. Auch wenn es schon länger Hinweise gebe, dass Hörverlust kognitive Beeinträchtigungen begünstige, sei das Ergebnis in seiner Deutlichkeit überraschend, so Hesse. Bei der Aufschlüsselung nach Demenzrisikofaktoren stand die Hörminderung an erster Stelle – „und zwar deutlich vor z. B. Diabetes oder Alkoholismus und knapp vor Hypertonie“. Ausgehend von für 2033 prognostizierten 1,65–2 Millionen Demenzerkrankten ab 65 Jahren, könnten durch Reduktion der Prävalenz von Hörminderungen um 15 % 23 000, bei Reduktion um 30 % sogar 44 000 Demenzerkrankungen verhindert werden. „Es ist total wichtig, das im Hinterkopf zu behalten“, betonte Hesse. Zumal Schwerhörigkeit immer häufiger werde.
Chancen durch Hörgeräteversorgung
Inzwischen gibt es auch erste Daten zum möglichen Nutzen einer Hörgeräteversorgung für die Demenzprävention. In einer bevölkerungsbasierten Kohortenstudie aus Kanada wurden 257 285 über 40-Jährige, die von 2007 bis 2016 erstmals ein Hörgerät bekamen, 5 Jahre lang nachverfolgt und mit über einer Million Kontrollpersonen verglichen [2]. Während bei diesen 90,5 von 1 000 eine Demenz entwickelten, waren es bei denen mit Hörgerät nur 14 von 1 000. Japanische Wissenschaftler untersuchten 1 453
45- bis 60-Jährige, von denen 99 ein Hörgerät trugen, über 2 Jahre nach. Die kognitiven Einschränkungen fielen bei den Hörgeräteträgern und -trägerinnen deutlich geringer aus [3].
Auch in einer Langzeituntersuchung zeigte sich, dass durch gezieltes Eingreifen in modifizierbare Risikofaktoren wie Schwerhörigkeit das Demenzrisiko gesenkt werden kann: Von 380 794 US-Armee-Veteranen, die Hörgeräte hatten und bei Anpassung unter keiner Demenz litten, betrug die Wahrscheinlichkeit, dass eine solche nach 3,5–5 Jahren auftrat, 73 %, wenn das Hörgerät nicht getragen wurde, aber nur 46 %, wenn es konsequent benutzt wurde [4].
Türöffner, um Betroffene zu überzeugen
„Das alles sind nur Hinweise“, betonte Hesse, riet aber, sie in diagnostische und vor allem therapeutische Überlegungen einzubeziehen. „Wenn Hörverlust tatsächlich ein erhöhter Risikofaktor für die Demenzentwicklung ist, und dies auch, wie in einigen Studien geschehen, im höheren Alter zu Einbußen in der Kognition, unter Umständen sogar bei Jüngeren zu einem erhöhten Alzheimerrisiko führen kann, dann kommt dem möglichen Ausgleich von Hörverlust eine ganz wesentliche Bedeutung zu.“
Und: „Es ist ein gutes Argument, um Leute vom Hörgerät zu überzeugen.“ Denn die Versorgung und die Adhärenz sind seiner Ansicht nach weiterhin schlecht.
1 Blotenberg I et al., Dtsch Arztebl Int 2023; 120: 470–6
2 Kirubalingam K et al., Dement Geriatr Cogn Disord 2023; 52: 147–5
3 Ganbo T et al., Otol Neurotol 2023; 44: 425–31
4 Naylor G et al., Age Ageing 2022; 51: afac266
Vortrag von Prof. Dr. med. Gerhard Hesse „Innenohrschwerhörigkeit, Tinnitus”, HNO Update 2023, Hamburg/online, November 2023