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Onkologie

Ovarialkarzinom

Genetische Prädisposition als wichtige Beratungsleistung

Prof. Dr. med. Barbara Schmalfeldt

Bei Frauen mit genetisch bedingter Prädisposition für Ovarial- und Mammakarzinom entwickeln sich die Tumoren häufig früher als bei genetisch nicht vorbelasteten Frauen – und etwa jedes fünfte Ovarialkarzinom ist genetisch bedingt. Frauen mit Verdacht auf eine solche Prädisposition sollte eine humangenetische Beratung mit Testung angeboten werden.

Jährlich erkranken in Deutschland rund 7.400 Frauen an einem Ovarialkarzinom – das bedeutet nach dem Mammakarzinom Platz 2 in der Liste der gynäkologischen Tumoren.[1] Da im Gegensatz zur Brust keine effektive Früherkennung des Ovarialkarzinoms möglich ist, wird dieser Tumor bei rund 75 % der betroffenen Frauen erst in einem fortgeschrittenen Stadium detektiert, wenn kurative Therapieansätze häufig nicht mehr möglich sind.[2,3] Trotz Verbesserungen in der operativen und systemischen Primärtherapie erleiden rund 70 % der Patientinnen im weiteren Verlauf ein Rezidiv.[4] Das Risiko für die Entwicklung eines Ovarialkarzinoms und die Prognose dieses Tumors werden durch mehrere Faktoren wie Umwelt, Ernährung und Reproduktion beeinflusst. Ein seit Langem etablierter Risikofaktor ist die familiäre Dispos­i­tion mit gehäuftem Auftreten von Ovarial- und Mammakarzinomen (hereditary breast ovarian cancer Syndrome; HBOC). Während in den meisten Lehrbüchern eine Wahrscheinlichkeit für ein erbliches Ovarialkarzinom noch mit 10 % angegeben wird, deuten aktuelle Kohortenstudien darauf hin, dass die Rate bei mehr als 20 % liegt.

Genetische Faktoren

Diese hereditären Ovarialkarzinome gehen zum überwiegenden Anteil mit einem autosomal-dominanten Erbgang mit inkompletter Penetranz einher und lassen sich hauptsächlich zwei Syndromen zuordnen:

• familiäres Brust- und Eierstockkrebssyndrom (hereditary breast and ovarian cancer syndrome; HBOC): hier liegen mehrheitlich Mutationen in den Tumorsuppressorgenen BRCA1 und BRCA2 vor.

• familiäres nicht-polypöses Kolonkarzinom (HNPCC = Lynch-Syndrom): ursächlich hierfür sind meist Mutationen im MSH2- oder MLH1-Gen.

Das Lebenszeitrisiko für die weibliche Allgemeinbevölkerung, an einem Ovarialkarzinom zu erkranken, beläuft sich aktuell auf 1,3–2 %. Bei Trägerinnen einer BRCA1-Mutation erhöht sich das kumulative Risiko, bis zum 69. Lebensjahr an einem Ovarialkarzinom zu erkranken, auf 39 %, bei Trägerinnen einer BRCA2-Mutation steigt das kumulative Risiko auf 11–22 % (Abb.).[5-7]

Für die betroffenen Frauen ist es wichtig, eine genetische Prädisposition möglichst frühzeitig festzustellen – denn nur so sind präventive Maßnahmen möglich. Folglich sollte Frauen mit Verdacht auf eine genetische Disposition eine humangenetische Beratung und Testung angeboten werden. Die Kriterien der aktuellen Leitlinien sind in Tabelle 1 zusammengefasst.[8] Aktuelle Daten der AGO-TR1-Studie zeigen, dass Familienanamnese, Histologie und Alter keine ausreichend validen Prädiktoren sind, um das Vorliegen prädisponierender Mutationen nachzuweisen. In dieser Studie wurde die Häufigkeit genetischer Mutationen bei über 500 Patientinnen mit Erst­diagnose eines invasiven epithelialen Ovarialkarzinoms oder einem Platin-sensitiven Ovarialkarzinom-Rezidiv untersucht.[9] Im Gesamtkollektiv wiesen 20,7 % der Patientinnen eine BRCA1/2-Mutation und 28,0 % eine Mutation in mindestens einem der untersuchten Risikogenen auf. Bei Patientinnen mit high-grade serösem Ovarialkarzinom wurden BRCA1/2-Mutationen mit einer Rate von 23,0 % am häufigsten detektiert; bei Tumoren anderer Histologie wurde in 10,2 % eine BRCA1- oder BRCA2-Mutation gefunden. Auch bei Frauen ≥ 60 Jahre und Frauen mit unauffälliger Familienanamnese wurden BRCA1/2-Mutationen nachgewiesen (10,6 % bzw. 11,5 %).

Somit konnten durch eine positive Familienanamnese nur ca. 69 % der BRCA1/2-positiven Patientinnen vorhergesagt werden, 31% der Mutationen blieben unerkannt. Für die Klinik bedeutet dies, dass eine alleinige Testung auf BRCA1/2 nicht umfassend genug erscheint und in Zukunft daher allen Patientinnen mit Erstdiagnose eines Ovarialkarzinoms die Keimbahntestung auf BRCA- und HRD-Genmutation angeboten werden sollte.

Prävention bei Mutationsnachweis

Die effektivste Methode zur Senkung des Erkrankungsrisikos und der Mortalität beim hereditären Ovarialkarzinom ist die prophylaktische bilaterale Salpingo-Oophorektomie (PBSO). Sie senkt das Erkrankungsrisiko für ein Ovarial- oder Tubenkarzinom um 80 bis > 90 %.[10,11] Daher empfiehlt die aktuelle S3-Leitlinie, dass Frauen mit nachgewiesener BRCA1/2-Mutation über die Möglichkeit dieser präventiven Maßnahme beraten werden sollen.[8] Da das Risiko für das Auftreten eines Ovarialkarzinoms bei BRCA1-Mutationsträgerinnen ab dem 40. Lebensjahr und bei BRCA2-Mutationsträgerinnen ab dem 50. Lebensjahr sprunghaft ansteigt, gilt als optimaler Zeitpunkt für die prophylaktische Operation bei BRCA1-Mutation ein Alter von 35–40 Jahren, bei BRCA2-Mutation von 40–45 Jahren. Bei der Planung sollten sowohl die individuelle Familienanamnese als auch ein möglicher Kinderwunsch der Patientin berücksichtigt werden. Darüber hinaus kann bei Patientinnen mit BRCA1/2-Mutation, die sich in der Prämenopause der prophylaktischen BSO unterziehen, das Risiko für ein Mammakarzinom um ca. 50 % gesenkt werden.[12] Als Folgeerscheinung kann es bei prämenopausalen Frauen nach PBSO zu einem verfrühten Einsetzen klimakterischer Beschwerden kommen. Die onkologische Sicherheit einer Hormontherapie bei ad­nektomierten Mutationsträgerinnen ist nicht ausreichend untersucht. In einer prospektive Kohortenstudie mit rund 450 nicht erkrankten Mutationsträgerinnen wurde der Effekt der PBSO durch eine kurzzeitige Hormontherapie nicht beeinflusst.[13] Da eine frühzeitige Menopause das kardiovaskuläre Erkrankungsrisiko als auch die osteoporosebedingte Frakturrate ansteigen lässt, sollte diese Option adnektomierten Frauen in der Prämenopause angeboten werden. In der Vergangenheit wurde die PBSO vor allem Frauen angeboten, die mit einem ≥ 10%igen Lebenszeitrisiko an Eierstockkrebs zu erkranken zur Hochrisikopopulation gehören und deren Familienplanung abgeschlossen ist. Aktuelle Daten aus Großbritannien legen aber nahe, dass auch Frauen mit einem mittleren Erkrankungsrisiko (Lebenszeitrisiko 4–10 %) von einer PBSO profitieren könnten.[14] Dazu gehören nicht erkrankte Frauen mit RAD51C-, RAD51D- oder BRIP1-Mutation, BRCA-negative Frauen aus Hochrisikofamilien und erstgradig weibliche Verwandte von Frauen mit invasivem epithelialem Ovarialkarzinom. Die Lebensqualität von Mutationsträgerinnen mit PBSO war im Vergleich zu nicht-prophylaktisch operierten Frauen mit Ausnahme der klimakterischen Beschwerden nicht unterschiedlich. Hingegen war die Angst, am Ovarialkarzinom zu erkranken, signifikant reduziert. Auch die alleinige, bilaterale Salpingektomie stellt einen, wenn auch – verglichen mit der PBSO – niedrigeren risikoreduzierenden Faktor dar.[8] Neben den operativen Maßnahmen spielt der Lebensstil eine Rolle bei der Entstehung bzw. Prävention von Eierstockkrebs. In einer Analyse von über 8.000 Patientinnen mit epithelialem Ovarialkarzinom wurde eine signifikante Assoziation zwischen fehlender körperlicher Aktivität und dem Risiko an einem Ovarialkarzinom zu erkranken nachgewiesen (OR = 1,34; 95 %-KI, 1,14–1,57).[15] Auch ein Zusammenhang zwischen Adipositas (Body Mass Index BMI ≥ 30 kg/m2) und dem Auftreten eines Ovarialkarzinoms gilt als wahrscheinlich.[16,17] Die LIBRE-Studie beispielsweise untersucht aktuell, ob bei BRCA1- und -2-Mutationsträgerinnen durch eine strukturierte Lebensstilintervention mit Ernährungsberatung und einem Bewegungsprogramm eine Senkung des Körpergewichts und Steigerung der körperlichen Fitness erreicht werden kann. Sekundäres Studienziel ist der Nachweis der Verbesserung der Lebensqualität und Stressbewältigung sowie der Veränderung von Einstellungen und Überzeugungen zur körperlichen Ertüchtigung und gesunden Ernährung sowie die Senkung der Brustkrebsinzidenz.[18]

Krankheitsverlauf bei hereditärem Ovarialkarzinom

Aktuelle Daten zeigen, dass Patientinnen mit einer BRCA1/2-Mutation eine günstigere Prognose und eine erhöhte Sensitivität gegenüber Platinderivaten und PARP-Inhibitoren haben als Nichtmutationsträgerinnen.[19,20] Dies gilt auch für Tumoren mit Defizienz der homologen Rekombination (HR) aufgrund somatischer BRCA1/2-Mutationen bzw. genetischer oder epigenetischer Veränderungen in anderen HR-assoziierten Genen. In einer gepoolte Analyse von über 1.200 Patientinnen konnte nachgewiesen werden, dass die 5-Jahres-Überlebensrate bei Frauen mit BRCA-Wildtyp-Tumor 36 % betrug, während sie bei Frauen mit BRCA1-mutiertem Tumor auf 44 % und bei BRCA2-Mutation auf 52 % anstieg.[19] Andererseits konnte in einer kanadischen Studie mit langem Follow-up über zehn Jahre kein Überlebensvorteil für BRCA-Mutationsträgerinnen mit Ovarialkarzinom gegenüber Patientinnen mit sporadischem Ovarialkarzinom gefunden werden.[21]

Fazit

Mehr als 20 % der fortgeschrittenen Ovarialkarzinome sind genetisch bedingt. Die Identifizierung von Mutationsträgerinnen und deren Beratung in Bezug auf präventive Maßnahmen sind daher essenzielle Aufgaben für die gynäkologische Praxis.

Die Autorin

Prof. Dr. med. Barbara Schmalfeldt
Klinik und Poliklinik für Gynäkologie, UKE
Martinistr. 52
20246 Hamburg

b.schmalfeldt@uke.de

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[8] Leitlinienprogramm Onkologie (DGK, DGGG, AWMF): S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren (Langversion). Version 2.1, Oktober 2017
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Bildnachweis: blueringmedia (iStockphoto)

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