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Allgemeinmedizin

Diffus parenchymatöse Lungenerkrankungen

Komplexe Diagnostik und neue Therapien bei Lungenfibrose

Prof. Dr. med. Andreas Günther

Die Lungenfibrose ist das Endstadium vieler verschiedener Krankheitsbilder, was eine exakte Diagnose zu einer echten Herausforderung macht. Eine Verbesserung der Lebensqualität und eine Verzögerung des Fortschreitens der Erkrankung lassen sich mit medikamentösen und nicht medikamentösen Maßnahmen erreichen.

Unter den diffus parenchymatösen Lungenerkrankungen (DPLD), auch als interstitielle Lungenerkrankungen (ILD) bezeichnet, verstehen wir eine komplexe Gruppe von weit über 100 verschiedenen, jeweils seltenen Krankheitsbildern, die sich in ihrer Pathogenese deutlich unterscheiden können. Klassischerweise können sie in DPLD mit bekannter Ursache, idiopathische DPLD, granulomatöse DPLD sowie andere DPLD unterteilt werden. Die häufigsten DPLD sind neben der idiopathischen pulmonalen Fibrose (IPF) die Sarkoidose, DPLD bei rheumatologischer Grunderkrankung, insbesondere bei Kollagenosen (CVD-ILD) und rheumatoider Arthritis (RA-ILD), sowie die chronische Verlaufsform der exogen-allergischen Alveolitis (EAA), einer durch Inhalation organischer Stäube vermittelte Typ III/IV allergische Reaktion in Alveolen und Bronchiolen mit Granulombildung.

DPLD zeigen ein variables Ausmaß an interstitieller sowie alveolärer Entzündung: bei DPLD mit primär entzündlichem Trigger (z. B. CVD-ILD, Sarkoidose, EAA) kann diese beträchtlich sein, bei den DPLD mit primär nicht entzündlichem Trigger (z. B. chronische Epithelschädigung bei der IPF) hat diese eine eher modulierende, aber keine kausale Rolle. Unbeschadet vom Trigger, vermutlich aber wesentlich bedingt durch dessen Persistenz, teilen viele DPLD aber das gemeinsame Schicksal eines regelhaft irreversiblen, fibrotischen Umbaus des Lungenparenchyms und einer Zerstörung der zarten Alveolarstruktur (Lungenfibrose). Während rein entzündliche Veränderungen ausschließlich mit Störungen des Gasaustausches einhergehen können, tritt spätestens mit dem Beginn der Vernarbung auch die pulmonale Compliance-Störung, und damit das restriktive Ventilationsmuster, zutage.

DPLD lassen sich auch anhand ihres klinischen Verlaufs, und damit ihrer prognostischen Relevanz, einteilen: Neben vollständig reversiblen Erkrankungen und Erkrankungen mit stabilem Verlauf sind hier die irreversibel fibrosierenden, interstitiellen Lungenerkrankungen von besonderer prognostischer Bedeutung und auch im Fokus neuer therapeutischer Entwicklungen.

Symptome und Diagnostik

DPLD-Patienten haben vor allem zwei, leider wenig spezifische, Symptome: erstens den trockenen Reizhusten, oft morgendlich und unter Anstrengung betont, und zweitens die Dyspnoe, initial unter Belastung, später in Ruhe. Da die meisten DPLD sich relativ langsam entwickeln, adaptieren sich viele DPLD-Patienten an die blutgasanalytisch nachweisbare Ruhe- oder Belastungshypoxämie und werden erst dann symptomatisch, wenn akute, aufgepfropfte Ereignisse wie respiratorische Infektionen, inhalative Expositionen oder pulmonal-vaskuläre Ereignisse wie Lungenembolien auftreten. In der Regel stellen sich DPLD-Patienten daher nicht in der Frühphase einer DPLD vor.

Die exakte Diagnose der DPLD stellt aufgrund der zahlreichen Differenzialdiagnosen eine echte Herausforderung dar, sollten stufenweise (Abb.) und – idealerweise – durch DPLD-Experten im Zuge einer interdisziplinären Fallkonferenz (ILD- oder DPLD-Board) erfolgen. Die ausführliche Anamnese steht am Anfang und sollte auf speziell hierfür entwickelten Fragebögen beruhen. Sie muss eine potenzielle Exposition gegenüber inhalativen Allergenen oder beruflichen Gefahrenstoffen (u. a. Quarz-, Steinstaub, Asbest), eine ausführliche Medikamenten- und Krankheitsvorgeschichte (z. B. Nitrofurantoin, Amiodaron, Methotrexat, Bleomycin) sowie eine Familienanamnese auf Lungen- sowie entzündliche Systemerkrankungen beinhalten. Es folgt die umfassende körperliche Untersuchung. Hier sind v. a. die Sklerosiphonie, also das Knisterrasseln vorzugsweise in den dorsobasalen Abschnitten als Ausdruck der Existenz fibrosierender Veränderungen, und der Nachweis von Uhrglasnägeln bzw. Trommelschlegelfingern wichtig. Die Sklerosiphonie tritt sehr früh im Krankheitsverlauf auf und sollte bei bis dato asymptomatischen Patienten den Weg zu einer frühen Diagnose ebnen. Wichtig sind weiterhin Symptome einer rheumatologischen Grunderkrankung. Ergänzt werden diese Basisuntersuchungen durch serologische Verfahren (Autoimmunserologie inklusive Myositis-Panel, ggf. IgG-Antikörper auf vermutete Allergene bei EAA).

Nach initialer funktioneller Diagnostik (Lungenfunktion, sowie Gasaustausch in Ruhe und unter Belastung mittels CO-Diffusion und 6-Minuten-Gehtest mit Blutgasanalyse, ggf. auch Spiroergometrie) ist das bildgebende Muster im HR-CT von grundlegender Bedeutung. In Abhängigkeit des HR-CT-Musters und der anderen Befunde ist dann eine Entscheidung über weitere invasive Untersuchungen bzw. Biopsien (offene Lungenbiopsie, Kryobiopsie) zu treffen. Am Schluss ist dann im ILD-Board der Fall zu diskutieren. In der Regel kann dann bei 80 % aller Patienten eine sichere Diagnose gestellt werden. Bei den restlichen 20 % ist die weitere engmaschige Beobachtung und Darstellung des Verlaufs als weitere diagnostische Stütze zu verstehen: diese Patienten sollten dann nochmals im Board vorgestellt werden.

Therapieoptionen

Zum nicht medikamentösen Management der DPLD zählen die Infektionsprävention gemäß den Empfehlungen der STIKO (Impfung gegen Influenza, Pneumokokken und COVID-19) sowie die Sauerstofflangzeittherapie gemäß Leitlinie bei einem paO2 < 55 mmHg bzw., bei begleitender pulmonaler Hypertonie oder Cor pulmonale, bei einem paO2 < 60 mmHg. Leistungsfähigkeit und Lebensqualität lassen sich durch eine spezialisierte pneumologische Rehabilitation verbessern und sollte den Patienten angeboten werden.

Für die IPF sind mit Pirfenidon sowie Nintedanib bereits seit Jahren zwei spezifische Antifibrotika verfügbar und auch in internationalen und nationalen Leitlinien zur Behandlung dieser Erkrankungen empfohlen. Beide Medikamente verlangsamen den funktionellen Erkrankungsprogress und auch das progressionsfreie Überleben bzw. die Häufigkeit von Exazerbationen. In jüngster Zeit sind einige randomisierte Studien bei progredient verlaufenden DPLD jenseits der IPF mit diesen Präparaten durchgeführt worden. Die Grunderkenntnis dieser Studien ist, dass wahrscheinlich sowohl Nintedanib als auch Pirfenidon auch bei diesen Patienten den natürlichen Verlauf verlangsamen können. Aus diesen Gründen ist Nintedanib nunmehr zur Behandlung der DPLD bei systemischer Sklerose und bei progredient verlaufenden Lungenfibrosen zugelassen worden.

Bei primär entzündlich getriggerten DPLD ist ­natürlich die Einleitung einer immunsuppressiven Therapie wichtig. Für die chronisch exogen-aller­gische Alveolitis sind die Allergenkarenz und die Identifikation des Allergens essenziell. Als einziges kuratives Verfahren steht geeigneten bzw. ausgesuchten Kandidaten bei progressiv fibrosierender Lungenfibrose nach wie vor die Lungentransplantation (LTX) zur Verfügung. Aufgrund des Spendermangels empfiehlt sich eine frühe Auseinandersetzung mit dem Thema und eine Vorstellung in einem entsprechenden Zentrum. Auch zur optimalen Therapiesteuerung ist eine regelmäßige Vorstellung in einem Zentrum hilfreich. Dies eröffnet im Zweifelsfall zudem die Teilnahme an klinischen Studien, die auch weiterhin und COVID zum Trotz an den Zentren laufen. Die aktuell laufenden bzw. anlaufenden Studien beschäftigen sich mit neuen antifibrotischen, epithelprotektiven sowie entzündungsgsmodulierenden Verfahren.

Der Autor

Prof. Dr. med. Andreas Günther
Leiter Zentrum für Interstitielle und Seltene Lungenerkrankungen Universitätsklinikum Gießen

andreas.guenther@innere.med.uni-giessen.de

Chefarzt/Ärztlicher Direktor Zentrum für Innere Medizin/Pneumologische Klinik Agaplesion Evangelisches Krankenhaus Mittelhessen, Gießen

Literatur beim Autor

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