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Onkologie

Plattenephitelkarzinom

Die neue S3-Leitlinie aktinische Keratose und Plattenepithelkarzinom

Heike Heise, Susanne Acktor, Claudia Roth

Im Juli 2019 ist die S3-Leitlinie Aktinische Keratose und Plattenepithelkarzinom erschienen. Sie wurde von der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) entwickelt und löst die bestehenden Leitlinien – eine S2k-Leitlinie zum PEK aus dem Jahr 2013 und eine S1-Leitlinie zur AK aus dem Jahr 2011 – ab.

Insgesamt waren an der Erarbeitung der S3-Leitlinie Aktinische Keratose (AK) und Plattenepithelkarzinom (PEK) der Haut 28 Fachgesellschaften und Organisationen beteiligt. Die Leitlinie soll Qualitätsstandards setzen und damit langfristig die Versorgung von Hautkrebspatienten verbessern.

Die Aktualisierung der beiden bestehenden deutschen Leitlinien zu AK und PEK wurden aus mehreren Gründen als dringend notwendig angesehen: Zum einen hat die Inzidenz und Prävalenz von AK und PEK in der Bevölkerung stark zugenommen, zum anderen liegen inzwischen neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Publikationen vor. Hinzukommen mehrere Neuzulassungen von Therapien. Ältere klinische Studien wurden systematisch ausgewertet und eine Vielzahl von in der Praxis verwendeten therapeutischen Methoden nach den Regeln der evidenzbasierten Medizin auf Wirksamkeit, Nebenwirkungen und Nachhaltigkeit untersucht. Die neue S3-Leitlinie dient nicht nur als Orientierungshilfe für die Auswahl sowie Durchführung von geeigneten Maßnahmen zur Diagnostik, sondern auch als evidenzbasierter, systematischer Leitfaden zur Entscheidungsfindung für die adäquate Therapie und Nachsorge von AK. Hinzugekommen sind außerdem in den Vorversionen unberücksichtigte Themen, wie die nicht-invasive Hautkrebsdiagnostik z. B. durch optische Kohärenztomografie (OCT), konfokale Laserscanmikroskopie (CLSM), Prävention, Vereinheitlichung der Klassifizierung (Definition des Carcinoma in situ) und UV-induzierter Hautkrebs als Berufskrankheit.


Klinische und histologische Einleitung der AK

Eine AK ist eine intraepidermale Vermehrung histologisch atypischer Keratinozyten, die nahezu ausschließlich in UV-exponierten Hautarealen auftreten, insbesondere an Kopf und Hals, Dekolleté, Armen, Handrücken sowie am Lippenrot-Übergang. Histomorphologisch werden folgende klinische Subtypen unterschieden: atrophe, hypertrophe, akantholytische, pigmentierte, lichenoide sowie bowenoide AK. Klinisch manifestieren sie sich als raue, rötliche oder bräunliche, schuppende Maculae, Papeln oder Plaques mit vermehrter Verhornung (Keratose). Die Größe kann dabei von wenigen Millimetern bis zu einigen Zentimetern im Durchmesser reichen. AKs treten selten als einzelne Läsionen auf, häufiger ist eine gesamte Region (Feldkanzerisierung) betroffen. Der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung von AK und PEK ist die kumulative UV-Exposition. Laut der neuen S3-Leitlinie ist die Datenlage für prognostische Faktoren für den Übergang der AK in das PEK nicht ausreichend. Darüber hinaus sollten neue Einteilungen entwickelt werden, weil bestehende klinische und histologische Systeme (z. B. Klassifikation nach Olsen oder KIN 1–3) nicht ausreichend prognostisch validiert sind. Die Olsen-Klassifikation als Bewertung der Einzelläsion erlaubt keine Risikobewertung, und die histologische Bewertung AK I bis AK III berücksichtigt nicht die Wachstumsrichtung nach unten („basal growth“). Es gibt keine allgemein anerkannte Definition von Feld­kanzerisierung. Feldkanzerisierung umfasst ein Haut­areal mit multiplen, zusammenhängenden AKs, um­geben von sichtbaren UV-bedingten Hautschäden.


Nicht-invasive Diagnostik

NEU in die Leitlinie aufgenommen:

Die nicht-invasiven diagnostischen Verfahren der optischen Kohärenztomografie sowie der konfokalen Laserscanmikroskopie sind für die Diagnostik der AK und PEK empfohlen.


Histologie durchführen

AKs bedürfen keiner histologischen Diagnostik, wenn ein typischer klinischer Befund vorliegt. Bei Therapieresistenz und klinisch unklarem Befund sollte eine Gewebeprobe gewonnen werden. Bei klinischem Verdacht auf ein PEK oder Morbus Bowen soll die Gewinnung einer Histologie auch zur Abgrenzung einer anderen benignen oder malignen Neoplasie erfolgen. Präoperativ sollte der maximale Durchmesser der Neoplasie dokumentiert werden. Je nach klinischer Situation sind Stanzbiopsien, flache Abtragungen („Shave“-Exzisionen) oder Exzisionsbiopsien geeignet. Ist das klinische Bild für ein PEK eindeutig, kann eine komplette Resektion ohne vorherige Probebiopsie zur Abklärung erfolgen.


Parameter des histologischen Befundberichts

Auch hier haben sich die Empfehlungen im Vergleich zur S2k-Leitlinie verändert. Der histologische Befund eines PEK soll neben der Diagnose zusätzlich Folgendes enthalten:

• histologischer Tumortyp (bei speziellen Subtypen des PEK)

• histologische Tiefenausdehnung in Bezug auf die anatomische Schichtung (insbesondere ab Clark-Level V, entsprechend Infiltration der Subkutis)

• Messung der Tiefenausdehnung ab einer Invasionstiefe von 2 mm

• im positiven Fall: Angabe zum Vorhandensein einer perineuralen Ausbreitung, eines Gefäßeinbruchs oder einer geringen Differenzierung, Vollständigkeit der Resektion des invasiven Tumoranteils.


Evidenzbasierte Therapieformen der AK

Für die Behandlung von AK existiert eine Vielzahl von Therapieoptionen, die eine Auswahl im klinischen Alltag erschwert. Welche Therapie ggf. auch in Kombination für den Patienten geeignet ist, ­sollte in Zusammenschau des klinischen Befundes, therapiespezifischer Faktoren wie der Verträglichkeit, der Anwendungsdauer, des kosmetischen Ergebnisses, der Kosten, der Risikofaktoren wie einer Immunsuppression, der kumulativen UV-Exposition, der Anzahl der Läsionen und Patientenfaktoren abgewogen werden. Zu den Patientenfaktoren zählen beispielsweise Alter, Komorbiditäten, Komedikation, Patientenpräferenzen, Compliance bzw. Therapieadhärenz. Unter läsionsbezogenen Aspekten wird die Anzahl der AKs, deren Lokalisation (Kapillitium, Gesicht, Extremitäten, Stamm), klinische Beschaffenheit (Graduierung nach Olsen, hyperkeratotische Läsionen) sowie die Größe des betroffenen Feldes subsumiert. Hierbei ist in der klinischen Praxis die Abgrenzung zwischen multiplen AKs und Feldkanzerisierung nicht immer eindeutig und klar möglich, was durch eine fehlende allgemein anerkannte Definition von Feldkanzerisierung noch erschwert wird. Aktuell empfohlene Therapieoptionen:

Ablative Verfahren

Ablative Verfahren wie Kryochirurgie mit flüssigem Stickstoff oder Kryo-Stempeln sind läsionsgerichtet für einzelne oder multiple AKs der Grade I–III nach Olsen bei immunkompetenten Personen geeignet. Für immunkompetente und immunsupprimierte Patienten kommt eine operative Entfernung von isolierten und gut abgrenzbaren Läsionen (Grad I–III nach Olsen) infrage. Diese kann mittels Kürettage, flacher Shave-Exzision oder Komplettexzision erfolgen. Vorteile der chirurgischen Entfernung sind die Sicherung der histologischen Diagnose und die vollständige Entfernung der Läsionen.

Chemische Peelings

Als Behandlungsform der AK tragen chemische Peelings Hautschichten bis zu einer bestimmten Tiefe ab (unspezifische Ablation). Wegen der Datenlage gibt es derzeit laut Leitlinie keine Empfehlung für die AK-Behandlung mit chemischen Peelings.

Dermabrasio

Die Dermabrasio zählt zu den älteren Verfahren. Diese wird im Bereich der feldgerichteten AK-­Therapie, insbesondere im Gesichtsbereich angewandt. Dabei werden die obersten Hautschichten bis zur dermoepidermalen Junktionszone mechanisch abgetragen. Im Rahmen von Beobachtungsstudien und Fallserien wurde die Dermabrasio in der AK-Behandlung nicht systematisch untersucht. Daher kann die Leitliniengruppe wegen mangelnder Datenlage keine konsens- oder evidenzbasierten Empfehlungen formulieren. Zudem fehlt es bei der technischen Durchführung der Dermabrasio an Standardisierung. Ein Stellenwert kann der Mikrodermabrasio im Bereich Prävention zugeschrieben werden.

Lasertherapie

Liegen einzelne oder multiple AKs der Grade I–III nach Olsen vor oder ist eine Feldkanzerisierung bei immunkompetenten Patienten diagnostiziert, so kann mit ablativen (CO2-, Erbium-YAG-Laser) und nicht-ablativen Laserverfahren (Nd:YAG-Laser, fraktionierter 1540-nm-Laser) behandelt werden.

Topische Arzneimittel-gestützte Verfahren

Sowohl für die Therapie einzelner Läsionen (Grad I–II nach Olsen) als auch für die feldgerichtete Behandlung bei immunkompetenten Patienten stehen verschiedene topische Arzneimittel (Wirkstoffe in Lösung, Gel- oder Cremeform) zur Verfügung. Alle haben ein ähnliches Nebenwirkungsspektrum (Rötung, Erosion, Verkrustung), müssen für einen längeren Zeitraum angewendet werden und heilen, bei richtiger Anwendung, narbenfrei ab. Großer Vorteil aller feldgerichteten Verfahren (inkl. PDT) ist, dass nicht nur klinisch sichtbare Läsionen, sondern auch subklinische Vorstufen präventiv mitbehandelt werden. Eine Hierarchie für die Effektivität (Abheilungsraten) aufzustellen, ist aufgrund mangelnder Vergleichsstudien problematisch.

• Diclofenac-Natrium 3 % in Hyaluronsäure 2,5 % Gel, Dosierung: zweimal täglich über ­60–90 Tage

• 5-Fluorouracil 5 %, Dosierung: zweimal täglich über max. vier Wochen

• 5-Fluorouracil 0,5 % (Evidenz für die Wirksamkeit bei einzelnen und multiplen AKs der Grade I–II nach Olsen, allerdings aktuell in Deutschland nicht zugelassen)

• 5-Fluorouracil 0,5 % mit Salicylsäure 10 % in Lösung, Dosierung: einmal täglich über sechs bis zwölf Wochen

• NEU in die Leitlinie aufgenommen:

Ingenolmebutat (Gartenwolfsmilch-Extrakt), Dosierung: einmal täglich an drei aufeinanderfolgenden Tagen; 0,015 % für Gesicht und Kapillitium und 0,050 % für Stamm und Extremitäten (zugelassen seit 11/12)

• Imiquimod 5 %, Dosierung: dreimal wöchentlich über vier Wochen bei Läsionen im Gesicht oder am unbehaarten Kapillitium

• NEU in die Leitlinie aufgenommen: Imiquimod 3,75 %, Dosierung: einmal täglich über zwei Wochen

Photodynamische Therapie

Der Einsatzbereich einer konventionellen photo­dynamischen Therapie mit 5-Aminolävulinsäure oder ihrem Methylester (5-ALA oder MAL, Methyl-5-amino-4-oxopentanoat und Imiquimod) erstreckt sich von feldgerichteten über einzelne sowie multiple AKs der Grade I–II nach Olsen bis hin zur Feldkanzerisierung. Hierbei erfolgt eine Photosensibilisierung des Wirkstoffs unter Rotlicht (10–20 Min.). Die Rotlicht-PDT ist deutlich schmerzhafter als die ganz neu in die Leitlinie aufgenommene ALA- oder MAL-PDT mit Tageslicht (Daylight-PDT). Diese kann allerdings nur bei Exposition mit Sonnenlicht für ca. zwei Stunden und bei wolkenlosem Himmel durchgeführt werden und ist deshalb auch eher bei Feldkanzerisierung im Gesicht und am Kapillitium geeignet.

Andere Topika und Retinoide

Die Datenlage lässt keine sicheren Empfehlungen für die Therapie von AK mit Colchicin, Difluormethylornithin, Canola-Phenolsäure, topischem Nikotinamid oder Sonnenschutzfiltern zu. Auch Birkenkork und Glukane sollen wegen eines fehlenden Nutzennachweises in der Therapie von AKs der Grade I–III nicht eingesetzt werden. Auch wird aufgrund fehlender Datenlage in der neuen S3-Leit­linie eine Therapie von AK mit topischen oder systemischen Retinoiden nicht empfohlen.


Therapieempfehlung

Oft ist es sinnvoll, verschiedene Therapieansätze zu kombinieren und feldgerichtete Verfahren mit topischen Therapien von Einzelläsionen zu ergänzen.


Berufsbedingter Hautkrebs

NEU in die Leitlinie aufgenommen:

Berufsbedingte Erkrankung an Plattenepithelkarzinom oder/und aktinischer Keratose und Diagnostik und Meldung bei Verdacht auf einen berufsbedingten Hautkrebs. Zum 1. Januar 2015 wurde die Berufskrankheitenverordnung (BKV) aktualisiert und u. a. um die BK-Nr. 5103 „PEK oder multiple AKs der Haut durch natürliche UV-Strahlung als neue Berufskrankheit“ in der BK-Liste der BKV ergänzt. Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufskrankheit sind mindestens sechs AKs, ein PEK oder eine Feldkanzerisierung von mindestens 4 cm² im Bereich von beruflich gegenüber UV-Strahlung exponierter Haut. Zu den anerkennungsfähigen Hautkrebsentitäten gehören der Morbus Bowen und das Bowenkarzinom. Biologisch und versicherungsrechtlich wird der nicht genitale Morbus Bowen einer AK gleichgestellt und muss daher ebenfalls multipel oder mit einer Fläche von 4 cm2 auftreten. Geht dieser in ein Bowenkarzinom über, so ist er versicherungsrechtlich einem PEK gleichgestellt. Liegt ein PEK vor, bedarf es einer histologischen Sicherung. Im Gegensatz dazu reicht bei multiplen AKs eine klinische Diagnostik aus. Nichtsdestotrotz wird empfohlen, wenigstens eine der vorliegenden AKs mittels Histologie zu sichern und den histologischen Befund der BK-Anzeige anzuhängen.


Prävention bei beruflichem Hautkrebs durch UV-Strahlung

Gemäß § 3 ArbSchG ist es Aufgabe des Arbeitgebers, für entsprechende Schutzmaßnahmen zu sorgen. Dies bezieht sich auf die Gefährdung durch Arbeitsstoffe und auch auf die Gefährdung durch UV-Strahlung der Sonne. In Zukunft soll es für Personen, die regelmäßig im Freien arbeiten, eine Pflicht- und Angebotsvorsorge geben. Alle Präventionsmaßnahmen bei berufsbedingter Exposition gegenüber natürlicher UV-Strahlung sind in der neuen Leitlinie zusammengefasst.


Immunsuppression und Organtransplantation

NEU in die Leitlinie aufgenommen:

Patienten nach Organtransplantation, hämatologischen Neoplasien oder mit Immunsuppression haben ein signifikant höheres Risiko, AKs und kutane PEKs zu entwickeln. Dies zeigt sich in einer höheren Inzidenz und einem aggressiveren Verlauf.

Hier ist eine frühzeitige Modifikation der Immunsuppression durch Elimination von Azathioprin und Umstellung auf mTOR-Inhibitor enthaltende Medikamente erforderlich. Neben der Primärprävention durch Lichtschutz und Vitamin-B6-Gabe empfiehlt die Leitlinie eine frühzeitige Therapie der AK. Für immunsupprimierte Patienten sind geeignet:

• Photodynamische Therapie mit MAL in Kombi­nation mit einer Beleuchtung durch eine künst­liche Rotlichtquelle (630 nm) bei einzelnen oder multiplen AKs der Grade I–II nach Olsen oder Feldkanzerisierung.

• Imiquimod 5 % bei multiplen AKs der Grade I–II nach Olsen oder für eine feldgerichtete Therapie. Hierbei ist die fehlende Zulassung zu beachten (Off-Label-Use).

• Diclofenac-Natrium 3 % in Hyaluronsäure 2,5 % Gel bei Patienten mit einzelnen oder multiplen AKs der Grade I–II nach Olsen sowie bei Feldkanzerisierung.

Die Autorin

Claudia Roth
Ärztin für Ästhetische Dermatologie
Privatpraxis Dr. Hilton & Partner Düsseldorf

Die Autorin

Heike Heise
Fachärztin für Dermatologie und Venerologie, Allergologin
Privatpraxis Dr. Hilton & Partner Düsseldorf

Die Autorin

Susanne Aucktor
angehende Fachärztin für Dermatologie
Privatpraxis Dr. Hilton & Partner Düsseldorf

S3-Leitlinie Aktinische Keratose und Plattenepithelkarzinom der Haut (Langversion 1.0); AWMF-Registernr.: 032/022OL, Juni 2019

Bildnachweis: Sirisako, jxfzsy (iStockphoto); privat

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