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Brustkrebsmonat

Psychoonkologische Betreuung

Evidenzbasierte Hypnotherapie bei Krebspatienten

Prof. Dr. med. Joscha Reinhard

25.10.2023

Hypnotherapie bei Krebspatienten kann helfen, Schmerzen und Angst zu reduzieren und bietet den Patienten die Möglichkeit, eine aktive Rolle im Rahmen der Therapie einzunehmen. Dieser Beitrag gibt einen Einblick in das Konzept der Hypnotherapie.

Die moderne Hypnotherapie wurde stark vom amerikanischen Psychiater Milton H. Erickson (1901–1980) geprägt. Er entwickelte die hypnotische Trance als Zustand selbstbestimmter Potenz des Individuums und als Zugang zu eigenen Ressourcen. Die therapeutische Kunst besteht darin, dem Patienten einen Zugang zur eigenen Stärke zu eröffnen, um ihn eigene Problemlösungsstrategien finden zu lassen. Erickson hat seine Vorgehensweisen nie systematisiert oder theoretisch begründet; dennoch kann man aus Fallbeschreibungen und Therapieprotokollen Prinzipien destillieren, die sein therapeutisches Vorgehen transparenter machen.

Dahinter verbirgt sich die Annahme, dass ein Individuum die Ressourcen zur Veränderung bereits in sich trägt und neue Instruktionen nicht erforderlich sind, um körperliche und seelische Probleme zu lösen. Bei einer Krebserkrankung scheint eine Lösung nur schwer vorstellbar, daher wird das Unbewusste als Hilfsgröße eingeführt, in die die heilende Potenz projiziert wird und langfristig in der Erinnerung gespeichert werden kann. Hypnotherapie wird als ein Verfahren angesehen, durch das vorübergehend ein anderer Bewusstseinszustand erlangt wird, in dem es besser gelingt, die Ressourcen der somatischen und kognitiven Subsysteme auszuschöpfen (Tabelle).

Wenn Hypnotherapie eine Standardtherapieoption werden möchte, muss sie den Forschungsstandards der evidenzbasierten Medizin genügen. Schon länger ist bekannt, dass Verhaltenstherapie und Hypnose effektiv Ängste, Depression, Übelkeit und Erbrechen reduzieren können. Die Studienergebnisse waren allerdings nicht immer konsistent. Zwei Studien zeigten eine Reduktion von antizipierter Übelkeit, eine weitere Studie die Verringerung antiemetischer Medikamention zwei Monate nach der Diagnosestellung. Eine weitere Studie zeigte jedoch keinen Effekt der Hypnose bei Übelkeit nach der Chemotherapie.

Marchioro et al. (2000) behandelten 16 Patienten mit Entspannung gefolgt von Hypnose nach zwei Zyklen, bevor sie in zwei weiteren Zyklen Chemotherapie erhielten. Bei allen verschwanden Antizipationsübelkeit und Erbrechen. Die meisten Patienten (14/16) erlebten entweder keine oder eine Episode von chemotherapieinduziertem Erbrechen.

Wie funktioniert Hypnotherapie?

Das zentrale Prinzip moderner Hypnotherapie nach Milton Erickson ist das Konzept der Utilisation (Nutzung, Nutzbarmachung), insbesondere im Sinne der Ressourcenaktivierung und des „Reframing“ (Umdeutung). Jeder Patient hat für sich spezi­fische Lernerfahrungen und Fertigkeiten ent­wickelt, die unter Umständen als Ressource für die Veränderung der Problemsituation genutzt werden könnte. Neue Erfahrungen oder Verhaltensweisen werden nicht durch direkte Suggestion hervorgerufen, sondern bereits vorhandene, dem Patienten im gegenwärtigen Kontext nicht verfügbare Verhaltensweisen werden utilisiert, um das Therapieziel zu erreichen. Durch Destabilisierung gewohnter Muster wird die Evoka­tion vorhandener Ressourcen zur neuen Gestaltung erreicht. In diesem Sinne stellt die hypnotische Trance eine Unterbrechung gewohnter Denkmuster dar. Eine hypnotische Trance-Induktion kann zu plastischen Veränderungen im menschlichen Gehirn führen, wie Untersuchungen mittels Positronen-Emissions-Tomografie (PET) und funktionellem MRT zeigen (Abbildung).

Insgesamt kann man das Evidenz-Level von Hypnose bei Übelkeit und Erbrechen als niedrig einstufen, da es keine prospektiv randomisierten Studien gibt. Andererseits zeigt Hypnotherapie die Möglichkeit einer Symptomreduktion bei Krebspatienten und belegt, dass die Patienten eine aktive Rolle in ihrer Therapie und Behandlung einnehmen können. Aktuell wird mithilfe eines Forschungsstipendiums der Helios Kliniken GmbH und der deutschen Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie e. V. in Wiesbaden, Wuppertal und Krefeld eine Studie vorbereitet, die diese Lücke schließen soll.

Fazit für die Praxis

Hypnotherapie erweist sich als eine mögliche und gut geeignete zusätzliche Option zur Behandlung bei Krebspatienten ohne „medikamentös bedingtes“ Nebenwirkungsprofil.

Literatur beim Autor
* Halsband U, J Physiol 2006; 99: 470–482

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Bildnachweis: GettyImages/Stella_E, Abert84, subtropica, cotuvokne (iStockphoto); privat

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