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Gynäkologie

Mädchen in der Praxis

Blutungsstörungen im Kindes- und Jugendalter

Dr. med. Birgit Delisle

Blutungsstörungen sind in jedem Alter ein häufiger Grund für einen Besuch der Frauenarztpraxis. In der Adoleszenz gibt es dabei aber eine ganze Reihe von Besonderheiten zu beachten. Dieser Beitrag gibt eine aktuelle Übersicht.

Die Menarche ist ein wichtiger Entwicklungsschritt als Zeichen der reproduktiven Gesundheit und Reife. Der Beginn der Pubertät unterliegt vielen Einflüssen, die noch nicht alle erforscht sind. Bekannt sind unter anderem genetische Faktoren, Ernährungsgewohnheiten, Lebensstil, chronische Krankheiten und Körpergewicht [1]. Das Pubertätsalter korreliert invers mit dem Body-Mass-Index (BMI). Je höher der BMI, desto früher der Pubertätsbeginn und die ­Menarche. Die Pubertät beginnt mit dem Brustwachstum ­(Thelarche) und der Schambehaarung (Pubarche). Es kommt zu einer Aktivitätszunahme in den Neuronen des Hypothalmus mit pulsatiler Ausschüttung der Gonadotropin-Releasing-Hormone (GnRH) und Aktivierung der hypophysären ­Gonadotropine LH (luteotropes Hormon) und FSH (Follikel-stimulierendes Hormon). Die Gonadotropine stimulieren die Produktion und Ausschüttung der Sexualsteroide in den Ovarien.

Die Entwicklung der Scham- und Körperbehaarung wird durch Androgene der Nebennierenrinde induziert. Unter dem Einfluss der Estrogene vergrößern sich die Brustknospen (Tanner-Stadium B2) und die inneren und äußeren Geschlechtsorgane. Die Gebärmutter nimmt an Volumen zu und es kommt zum Aufbau des Endometriums. Nach 2–2,5 Jahren, bei einem Bruststadium B3, kommt es mit durchschnittlich 12,8 Jahren zur ersten Abbruchblutung (Me­narche). In den ersten ein bis zwei Jahren danach sind die Zyklen häufig anovulatorisch und sehr unregelmäßig. Erst mit Reifung des hypothalamisch-hypophysär-ovariellen Regelkreises kommt es zu ­normalen individuellen Zyklen [1]. Dieser Prozess kann bis zum 18.–20. Lebensjahr andauern. In den ersten Jahren sind größere Zyklusschwankungen physiologisch. Wenn jedoch die Blutung sehr stark und/oder sehr schmerzhaft ist (alle 1–2 Std. Tampon- oder Bindenwechsel und/oder Abgang von Blutkoageln), wenn die Blutung länger als 10 Tage andauert oder wenn Androgenisierungszeichen vorhanden sind, sollte schon frühzeitig eine Abklärung erfolgen. Ab zwei Jahren postmenarchal dauert ein normaler Mens­truationszyklus in der Adoleszenz 21–45 Tage und die Blutung weniger als 7 Tage, der durchschnitt­liche Blutverlust liegt bei 30–40 ml/Zyklus [2,3].

Abnorme uterine Blutung (AUB)

AUB ist definiert als uterine Blutung außerhalb der Schwangerschaft, die abnorm in Bezug auf Länge, Volumen, Frequenz und/oder Irregularität ist. Gemäß der FIGO werden in der PALM-COEIN-Klassifikation folgende Ursachen definiert: 1. Strukturelle Veränderungen (Polyp, Adenomyosis, Leiomyoma oder maligne Erkrankungen). 2. Nicht strukturelle Veränderungen (Koagulopathie, ovulatorische Dysfunktion, endometriale, iatrogene und nicht klassifizierte ­Störungen). Strukturelle Veränderungen im Jugendalter sind selten, sollten aber ausgeschlossen ­werden [4]. Mit der häufigste Auslöser für Blutungsstörungen in der Adoleszenz sind ovarielle Funktionsstörungen. Hauptproblem ist meist eine Unreife der hypothalamisch-hypophysär-ovariellen Achse mit Follikelpersistenz und ungenügender Transformation des Endometriums. Das hormonelle System ­reagiert besonders empfindlich auf zahlreiche ­äußere Einflüsse, darunter Stress, Leistungssport, Klimaveränderungen, Rauchen, Drogen und Essstörungen sowie auf Störungen anderer endokriner Achsen (Schilddrüse, Prolaktin, Nebenniere).

Primäre Amenorrhoe

Wenn bis zum 16. Geburtstag oder länger als fünf ­Jahre nach Auftreten der ersten Pubertätszeichen keine Menarche auftritt, spricht man von einer ­primären Amenorrhoe. Dieses Thema wird im Beitrag auf den Seiten 8–10 ausführlich behandelt. Bei Hypogonadismus sollte rechtzeitig eine Pubertätsinduktion begonnen werden, damit eine ­normale körperliche und psychische Pubertätsentwicklung erfolgen kann. Man beginnt mit einer niedrigen ­Dosis Estradiolvalerat 0,2 mg/Tag und steigert die Dosis alle sechs Monate. Im zweiten Behandlungsjahr oder bei einer spontanen Blutung muss zyklisch mit Gestagenen ergänzt werden. Die Dauertherapie erfolgt mit 2 mg Estradiol kombiniert mit einem Gestagen. Je nach Krankheitsbild muss bis zu den Wechsel­jahren eine Hormonsubstitution erfolgen [5].

Sekundäre Amenorrhoe / Oligomenorrhoe

Wenn zwei Jahre nach der Menarche die Zyklusabstände länger als 45 Tage sind oder die Blutung länger als drei Monate ausbleibt, muss eine endokrinologische Abklärung mit einer Hormonbasisdiagnostik erfolgen (s. Beitrag S. 8–10). Bei niedrigen Gonadotro­pinen können die Auslöser Essstörungen, exzessiver Sport oder chronischer Stress (Flüchtlingskinder) sein. Bei erhöhten Gonadotropinen kann eine prämature Ovarialinsuffizienz (POI) vorliegen, die spontan oder iatrogen induziert sein kann (siehe Abb.).

Sind die Androgene erhöht, kann ein polyzystisches Ovarialsyndrom (PCOS) vorliegen. Im Jugendalter können bis zu acht Jahren postmenarchal keine sonografischen Kriterien ­herangezogen werden, da im Jugendalter multizystische Ovarien häufig sind und die typischen polyzystischen Ovarien sich erst im Erwachsenenalter entwickeln. Die Therapie richtet sich, wenn möglich, primär danach, den Auslöser zu beseitigen. Bei einem unauffällig entwickelten Mädchen mit unauffälligem Hormonstatus und einer ausreichenden endogenen Estradiolbildung kann bei Oligomenorrhoe abge­wartet werden, da bei manchen Mädchen die Ausreifung des hypothalamisch-hypophysär-ovariellen Regelkreises bis zum 20. Lebensjahr dauern kann. Eine Unterstützung durch Mönchspfeffer (Agnus ­castus) kann manchmal die Ausreifung begünstigen.

In der Adoleszenz kommt es häufig zu einer transienten Hyperandrogenämie mit Aknebildung, die primär einer lokalen, dermatologischen Therapie bedarf. Bei schwerer inflammatorischer Akne und Hirsutismus kann eine Therapie mit kombinierten oralen hormonellen Kontrazeptiva (KOK) mit einem antiandrogenen Gestagen die Lokaltherapie sinnvoll unterstützen. Die Therapie bei Hyperandrogenämie und PCOS ist bei Adipositas Gewichtsreduktion durch Lifestyle-Änderung, bei Insulinresistenz Metformin. Bei Essstörungen besteht die Therapie primär aus einem entsprechenden Essverhalten mit Gewichtszunahme. Die Behandlung mit einer ethi­nyle­stra­diolhaltigen Pille kann problematisch sein, da in zahlreichen Studien gezeigt wurde, dass keine Stabi­lisierung des Knochens erreicht werden kann und sich die Pille durch Senkung des IGF1 und ­Anstieg des SHBG (Sexualhormon-bindendes ­Globulin) eher negativ auf die Knochenbilanz auswirkt. Als einzige effektive Estrogentherapie hat sich bisher eine transdermale Therapie mit 100 mg via Pflaster herausgestellt [6].

Hypermenorrhoe / Menorrhagie

Blutungen, die zu lange oder zu stark sind, werden im anglosächsischen als „heavy menstrual bleed­ing“(HMB) bezeichnet, und sollten frühzeitig abgeklärt werden, da eine Gerinnungsstörung die Ursache sein kann. Das von-Willebrand-Syndrom (vWS) ist die häufigste hereditäre Hämostasestörung. Es handelt sich dabei um einen qualitativen oder quantitativen Defekt bei der Bildung des von-Willebrand-Faktors. Neben allgemeiner Blutungsneigung zeigen Mädchen mit vWS eine verlängerte oder verstärkte Regelblutung mit Dysmenorrhoe und Zwischen­blutungen und haben ein Risiko für Einblutungen ins Ovar.

Andere Ursachen für Koagulopathien sind Thrombozytopenie, Thrombozytenfunktionsstörungen, Mangel an Gerinnungsfaktoren und Störung der Fibrinolyse [7]. Seltenere Ursachen sind endometriale Störungen (Endometritis bei Chlamydieninfektion und anderen STD) oder iatrogen verursacht durch Intrauterinspiralen, Hormontherapie und andere ­Medikamente (Drogen, Anabolika, Psychopharmaka).

Therapie nach Stärke und Dauer der Blutung

Bei einer Dauerblutung stehen neben der Blutstillung die Kreislaufstabilisierung und Behandlung des Hb-Abfalls im Vordergrund. Bei einer Blutungsdauer bis zu 14 Tagen besteht meist eine Follikelpersistenz mit Estrogendominanz. Im Ultraschall zeigt sich ein hoch aufgebautes Endometrium, manchmal auch eine Follikelzyste. Zur Therapie eignet sich ein endometriumwirksames Gestagen, zum Beispiel Chlormadinonacetat 4 mg (2 Tbl.) für 10–14 Tage und anschließend eine kombinierte ­Estrogen-Gestagen-Therapie für mindestens zehn Tage.

Bei einer Blutungsdauer länger als 14 Tage ist meistens das Endometrium abgeblutet (unter 5 mm) und es besteht ein relativer Estrogenmangel. Bei einer stabilen Kreislaufsituation und nur geringem Hämoglobinabfall (Hb 10–12 g/dl) wird eine monophasische Kombinationspille empfohlen, je nach Situation durchgehend für drei Monate, damit der Eisenspeicher aufgefüllt werden kann. Bei Kontraindikationen gegen Ethinylestradiol kommen entweder oral 2 mg Estradiolvalerat oder transdermal Estradiol für zehn Tage und anschließend ­Estradiol in Kombination mit einem Gestagen für 14 Tage infrage. Eine Rezidivprophylaxe für drei Monate mit ­zyklischen Gestagenen oder einem Kombinationspräparat (2 mg E2 + Dienogest) ist empfehlenswert. Bei sehr starker Blutung und einem Hb unter 10 g/dl sollte die Hormondosis erhöht werden und mit nicht steroidalen Antiphlogistika (Naproxen 500–1 000 mg) und Antifibrinolytika (Tranexamsäure) kombiniert werden [8,9]. Zur Dauertherapie von leichten oder moderaten ­Blutungsstörungen (Hb nicht unter 10 g/dl) und ­Dysmenorrhoe ohne Verhütungswunsch eignen sich Mönchspfeffer, mit seinen dopaminergen und prolaktinsenkenden Eigenschaften, und bei Bedarf nicht steroidale Antiphlogistika (Naproxen, Ibuprofen). Bei anovulatorischen Zyklen mit Hyper- und Dysmenor­rhoe führt eine zyklische Gestagengabe (Chlormadinonacetat 2–4 mg, Progesteron 200–400 mg) für 12–14 Tage in der zweiten Zyklushälfte zur Zyklusstabiliserung. Bei einer stärkeren Hb-wirksamen Blutung kann durch eine kontinuierliche Einnahme von 4–6 mg Chlormadinonacetat eine Unterdrückung der Blutung und der Ovulation erreicht werden. Bei Verhütungswunsch und Ausschluss von Kontraindikationen kann die Blutung mit einem KOK am effektivsten reguliert werden – bei zyklischer Einnahme über eine Reduktion um bis zu 40 %, bei kontinuierlicher Einnahme um bis zu 80 %. KOK sind nur für die Verhütung zugelassen, mit Ausnahme der Pille Qlaira® (Estradiol plus Dienogest in unterschiedlicher Dosierung), die auch bei Hypermenorrhoe ­zugelassen ist. Bei sexuell aktiven Jugendlichen, aber auch bei Kontraindikationen gegen Estrogene hat sich die Hormonspirale bei HMB bewährt. Es gibt inzwischen drei Formen mit unterschiedlichen täglichen Hormonfreisetzungen. Neben der ­Kontrazeption sind nur Mirena® und Levosert® bei Hypermenorrhoe zugelassen. Nachteil sind die häufig auftretenden ­Zwischenblutungen in den ersten drei bis sechs Monaten [8].

FAZIT:

• Der häufigste Auslöser für Blutungsstörungen sind Störungen im hypothalamisch-hypo­physär-ovariellen Regelkreis durch Unreife.
• Ausbleiben der Pubertätsentwicklung bis zum Alter von 13,5 Jahren und Ausbleiben der ­ersten Regelblutung bis zum 16. Geburtstag müssen abgeklärt werden.
• Eine hormonelle Therapie ist häufig notwendig, aber nicht immer müssen es ­kombinierte hormonelle Kontrazeptiva sein.

Die Autorin

Dr. med. Birgit Delisle
Münsinger Str. 28
81477 München

ebemdelisle@t-online.de

1 Brämswig J et al., Dtsch Ärzteblatt 2009; 106: 295–304
2 ACOG Committee Opinion No. 651, Obstet Gynecol 2015; 126: e143–e146
3 Delisle B, Blutungsstörung in der Adoleszenz. Privatarzt Gynäkol 2019; 10(3): 12–14
4 Munro MG et al., Int J Gynaecol Obstet 2011; 113: 3–13
5 Dörr HG, Gynäkol Endokrinol 2014; 10: 106–116
6 Misra M et al., J Bone Mineral Metab 2011; 26: 2430–2438
7 Haamid F et al., J Pediatr Adolesc Gynecol 2017; 1: 1–6
8 Bedei I, Delisle B, Monatsschr Kinderheilkunde 2017; 165: 858–856
9 Bayer LL et al., J Pediatr Adolesc Gynecol 2013; 52: 54–58

Bildnachweis: privat

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