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Dermatologie

Präkanzerosen

Hautveränderungen bei onkologischen Erkrankungen

Angelika Bauer-Delto

23.5.2025

Onkologische Erkrankungen verschiedener Organsysteme können auch zu Manifestationen an der Haut führen. Dazu zählen Paraneoplasien, Pruritus oder auch Hautkrebs. Zudem kann es unter Krebstherapien zu kutanen Nebenwirkungen wie dem Hand-Fuß-Syndrom kommen. Für eine optimale Versorgung ist daher dermatologische Expertise gefragt, wie Prof. Dr. med. Thomas Dirschka beim Derma-Update 2024 ausführlich darstellte.

Tumorerkrankungen können eine Reihe unterschiedlicher Paraneoplasien hervorrufen. Diese werden im Praxisalltag oft übersehen oder nicht erkannt. Auch bei einigen Hautveränderungen sollte an eine Paraneoplasie gedacht und – sofern die Grund­erkrankung noch nicht bekannt ist – ein Check auf eine assoziierte Tumorerkrankung in die Wege geleitet werden.

Obligate Paraneoplasien

Unter obligaten Paraneoplasien werden Hautveränderungen verstanden, die von Tumorerkrankungen ausgelöst werden und nicht unabhängig davon auftreten. Dazu zählt die Acrokeratosis psoriasiformis Bazex (Abb. 1). Diese ist gekennzeichnet durch schuppende Hyperkeratosen, die sich innerhalb weniger Wochen vor allem an den Fingern und ­Zehen entwickeln und mit diffusen Nagelwachstumsstörungen einhergehen können. Auch eine Lokalisation an Ohren oder Nase ist möglich. Die Betroffenen haben keine Psoriasis- oder Atopie-Diathese. Die Hautveränderungen sind mit Plattenepithelkarzinomen verschiedener Organe, vor allem der Lunge, aber auch der Zunge, des Pharynx und des Larynx assoziiert.

Eine weitere obligate Paraneoplasie ist die Acanthosis nigricans maligna. Die stark juckende, graubraune, samtartige Verdickung der Epidermis tritt vor allem im Bereich der Axilla, am Nacken oder periumbilical auf und ist ein Indikator für ein ­Adenokarzinom des Gastrointestinaltrakts oder ­seltener von Bronchien, Leber, Uterus oder ­Mamma.

Der Begriff der „obligaten“ Paraneoplasie ist in manchen Fällen jedoch infrage zu stellen, zum ­Beipiel beim Erythema gyratum repens Gammel.

Dabei handelt es sich um eine girlandenförmige, holz­maserungsartige Hautveränderung am Stamm, die mit einem Karzinom unter anderem an ­Mamma, weiblichem Genitale, Pharynx, Ösophagus oder ­Magen assoziiert ist. Eine strenge Zuordnung zu einem malignen Geschehen ist jedoch nicht immer möglich. So kann das Erythema gyratum auch bei schweren bakteriellen Infektionen wie der ­pulmonalen Tuberkulose beobachtet werden [1].

Fakultative Paraneoplasien

Fakultative Paraneoplasien weisen eine variable Koinzidenz mit Krebserkrankungen auf (Tab.). Tripe palms zählen zwar zu den fakultativen Paraneo­plasien, sind aber immerhin zu 90 % mit einem Adenokarzinom assoziiert [2].

Die Bezeichnung rührt daher, dass die Hautveränderungen an ein Gekröse erinnern. In etwa der Hälfte der Fälle geht die Hautveränderung der Manifestation der Malignität voran. Daher handelt es sich um ein Warnzeichen, das umfassend abgeklärt werden sollte.

Eine weitere fakultative Paraneoplasie ist die akute febrile neutrophile Dermatose. Das klinische Bild (Abb. 2 a) ähnelt einer Blasenbildung, die Läsionen fühlen sich jedoch solide an, erklärte Dirschka. In der Histologie (Abb. 2 b) zeigt sich, dass es sich um ein ausgedehntes Papillarkörperödem handelt, das diffus mit Neutrophilen durchsetzt ist. Zugrunde liegen oft myeloproliferative Erkrankungen, seltener urogenitale Tumoren.

Das adulte Xanthogranulom (Abb. 3 a, b) ist ein schnell wachsender, gelblicher, fleischiger Tumor, der mit hämatologischen Neoplasien assoziiert sein kann.

Die Liste der Paraneoplasien ist möglicherweise deutlich länger als bislang angenommen. So wurden Fallberichte über eine Pityriasis rubra pilaris als Paraneoplasie publiziert [3]. Dabei wurde auf einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der typischen klinischen Merkmale der Pityriasis rubra pilaris in Assoziation mit diversen Malignomen, beispielsweise der Mamma oder der Lunge, sowie mit hämatoonkologischen Krankheiten hingewiesen.

Pruritus ohne Hautläsionen

Pruritus ist einer der häufigsten Zuweisungsgründe in die Dermatologie. Bei starkem chronischem ­Pruritus ohne Hautläsionen ist stets an einen ­Morbus Hodgkin zu denken. Denn Pruritus tritt bei knapp einem Drittel der an Morbus Hodgkin Erkrankten auf und kann der Diagnose viele Monate vorausgehen. Die Abklärung kann mitunter langwierig sein, wie ein Fallbeispiel aus Dirschkas Praxis demonstriert: Ein älterer Patient, der sich mit ausgeprägtem ­generalisiertem Juckreiz vorstellte, wurde zunächst hämatoonkologisch abgeklärt, jedoch ohne Befund. Erst im Zuge einer Lungenkontrolle vor Beginn einer Therapie des Pruritus mit Dupilumab wurde ein Morbus Hodgkin im Stadium IV festgestellt.

Aquagener Pruritus, der nach Kontakt mit warmem Wasser auftritt, kann auf eine Polycythaemia vera hinweisen. Auch weitere myeloproliferative Erkrankungen können mit Juckreiz einhergehen.

Erhöhtes Hautkrebsrisiko

Auch der Hautkrebs kann eine Assoziation zu ­anderen onkologischen Erkrankungen zeigen. Beispielsweise steigt aufgrund der verbesserten Lebenserwartung bei chronischer lymphatischer Leukämie das Risiko für sekundäre Primärmalignome, ins­besondere für kutane Plattenepithelkarzinome. In einem systematischen Review wurden Risiko und klinische Merkmale eines Plattenepithelkarzinoms bei Patientinnen und Patienten mit chronischer ­lymphatischer ­Leukämie analysiert [4]. Ausgewertet wurden die Daten aus 55 Studien, die ergaben, dass 3,2 % der an chronischer lymphatischer Leukämie Erkrankten ein kutanes Plattenepithelkarzinom entwickelten. ­Dabei war das Risiko für Metastasen des Plattenepithelkarzinoms erhöht und lag bei 7,3 % für regionale Lymphknoten und bei 3,8 % für Fernmetastasen. Die Sterblichkeitsrate aufgrund eines Plattenepithelkarzinoms betrug 11,5 %. Die Plattenepithelkarzinome bei chronischer lymphatischer ­Leukämie zeigten somit im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein aggressiveres Verhalten, erwiesen sich aber als weniger aggressiv als bei Organtransplantierten. Bei solchen Risikogruppen sollten daher engmaschige Hautkrebs-Screenings und Kontrollen erfolgen.

Hautkrebs nach Organtransplantation

Nach Organtransplantationen entwickeln sich relativ schnell aktinische Keratosen und Plattenepithelkarzinome. Menschen unter einer immunsuppressiven Langzeittherapie nach einer Organtransplantation haben ein 250-fach erhöhtes Risiko, dass aktinische Keratosen zu invasiven Plattenepithelkarzinomen fortschreiten.

In einer Untersuchung der Arbeitsgruppe Dirschkas wurden die Eigenschaften von aktinischen Keratosen bei Organtransplantierten mit denen einer Kontrollgruppe immunkompetenter Personen verglichen [5]. Es zeigten sich signifikante Unterschiede in der basalen Proliferation und Akantholyse: Aktinische Keratosen von Organtransplantierten wiesen im Vergleich zur Kontrollgruppe eine höhere Rate an basaler Proliferation (80,2 vs. 33,3 %) und Akan­tholyse auf (59,5 vs. 32,4 %). Proliferation und Akan­tholyse aktinischer Keratosen wurden als potenzielle Risikofaktoren für die Progression und die Entwicklung invasiver Plattenepithelkarzinome identifiziert. Mittels optischer Kohärenztomografie lassen sich diese histologischen Eigenschaften gut darstellen. Klinisch sind solche aktinischen Keratosen oft schmerzhaft bei Berührung, weisen Superinfektionen auf und erweisen sich als schwierig zu behandeln.

Kutane Nebenwirkungen onkologischer Therapien

Dermatologinnen und Dermatologen sind auch bei Hautveränderungen infolge onkologischer Therapien gefragt. Dazu zählt das Hand-Fuß-Syndrom (Erythro­ästhesie), das als Nebenwirkung bestimmter Chemotherapeutika auftreten kann. Zytostatische Wirkstoffe wie Capecitabin werden über die ekkrinen Schweißdrüsen abgesondert und führen so zu einer Toxizität an Handflächen und Fußsohlen. Ein Hand-Fuß-Syndrom mit schmerzhaften Erythemen und Schwellungen kann die Folge sein. Empfohlen wird, Hitze und mechanische Belastungen der Hände und Füße zu vermeiden, zu kühlen sowie mit feuchtigkeitsspendenden und harnstoffhaltigen Cremes zu pflegen. Auch topische Kortikosteroide und Schmerzmittel können versucht werden. Aktuelle Studiendaten ergaben, dass bei einer Behandlung mit Capecitabin die Anwendung von topischem ­Diclofenac-Gel eine wirksame Präventionsmaßnahme darstellt [6]: Das Risiko für das Auftreten eines Hand-Fuß-Syndroms vom Grad 2 oder 3 konnte signi­fikant reduziert werden. In der Diclofenac-Gruppe kam es bei 3,8 % der Personen zu dieser Neben­wirkung, in der Placebo-Gruppe dagegen bei 15 %.

Monoklonale Antikörper wie Cetuximab, die gegen den epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR) gerichtet sind und zur Krebsimmuntherapie eingesetzt werden, können ein EGFR-Inhibitor-Exanthem hervorrufen (Abb. 4). Die papulopustulösen Hautläsionen werden oft fälschlicherweise als akneiform bezeichnet. Sie ähneln jedoch eher einer Rosazea und sprechen auch auf entsprechende Therapiemaßnahmen an, beispielsweise auf niedrig dosiertes Doxycyclin in Kombination mit topischem Ivermectin. Ein neuer Therapieansatz zur Behandlung von EGFR-Inhibitor-induziertem Hautausschlag könnte der ­topische BRAF-Inhibitor LUT014 werden, der aktuell in einer Phase-II-Studie geprüft wird.

Prof. Dr. med. Thomas Dirschka
Facharzt für Dermatologie und Venerologie
Leitender Arzt der CentroDerm Wuppertal

info@centroderm.de

Dermatologische Expertise gefragt

„Hautveränderungen sind nicht selten Indikatoren für innere Erkrankungen. So können dermatologische Symptome wie Paraneoplasien oder Pruritus Warnzeichen für onkologische Erkrankungen verschiedener Organsysteme sein. Auch bei Nierenerkrankungen können Hautsymptome auftreten (siehe Beitrag auf Seite 14). Bei endokrinen Erkrankungen kann es ebenfalls zu Hautmanifestationen kommen. Beispielsweise kann eine Necrobiosis lipoidica auf einen Diabetes mellitus oder eine beeinträchtigte Glucosetoleranz hinweisen. Xanthelasmen können Indikatoren für eine Hypercholesterinämie sein und sollten Anlass zur Abklärung auch weiterer kardiovaskulärer Risikofaktoren geben. Erkrankungen wie die Pyoderma gangraenosum, die Porphyria cutanea tarda und die Dermatitis herpetiformis Duhring können mit gastrointestinalen Erkrankungen assoziiert sein. Auch Infektionskrankheiten können mit Hautveränderungen einhergehen. So sollte bei einem Lichen planus – insbesondere in ausgeprägten oder schwer behandelbaren Fällen – auf eine Hepatitis C getestet werden. Dermatologinnen und Dermatologen kommt daher nicht nur die Aufgabe zu, solche Hautveränderungen zu erkennen und adäquat zu behandeln, ihre dermatologische Expertise ist auch darüber hinaus gefragt, um bei Indikatordermatosen die Abklärung einer möglicherweise noch unerkannten Grunderkrankung in die Wege zu leiten. Somit können wir einen wichtigen Beitrag zur Früherkennung internistischer Erkrankungen und Krebserkrankungen in den verschiedensten Organsystemen leisten.“

  • Dermatologinnen und Dermatologen sind gefordert, Paraneoplasien nicht zu übersehen und die Zusammenhänge von Hautveränderungen und onkologischen Erkrankungen zu erkennen.
  • Bei Pruritus ohne Hautveränderungen sollte an einen Morbus Hodgkin, eine chronische lymphatische Leukämie und ein myelodysplastisches Syndrom gedacht werden.
  • Eine chronische lymphatische Leukämie sowie eine Immunsuppression nach Organ­trans­plantation wirken als wichtige Treiber für nicht melanozytären Hautkrebs.
  • Bei aktinischen Keratosen sind Proliferation und Akantholyse Risikofaktoren für die Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms.
  • Die Behandlung der Nebenwirkungen von Onkologika an der Haut ist Aufgabe von Dermatologinnen und Dermatologen.
  1. Contag CA et al., Ann Int Med 2023; 177: 733–5
  2. Obermeier PE et al., Dtsch Arztebl Int 2024; 121: 372
  3. Davis AE et al., JAAD Case Reports 2022; 32: 90–5
  4. Lai M et al., Int J Dermatol 2022; 61: 548–57
  5. Falkenberg C et al., Cancers 2023; 15: 1765
  6. Santhosh A et al., Trials 2022; 23: 420

Bildnachweis: gremlin (gettyimages); Wirestock (gettyimages); Prof. Dr. med. Thomas Dirschka

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