Neu in der S3-Leitline ist die Empfehlung für eine systemische Kombinationstherapie in der Behandlung des fortgeschrittenen hepatozellulären Karzinoms. Aufgrund der molekularen Veränderungen bei biliären Karzinomen wird die Differenzialdiagnostik als besonders wichtig angesehen.
Im Jahr 2016 erhielten 2.750 Frauen und 6.220 Männer die Diagnose „Leberkrebs“. Somit zählt es eher zu den seltenen Krebserkrankungen in Deutschland. Jedoch liegt die relative Jahresüberlebensrate für beide Geschlechter nur bei 15%. Aus diesem Grund werden neue, evidenzbasierte Substanzen für die medikamentöse Therapie empfohlen.
Die wesentlichen Veränderungen beim hepatozellulären Karzinom (HCC):
Die Leberbiopsie wurde als wichtige diagnostische Maßnahme im Hinblick auf das hepatozelluläre Karzinom in der zirrhotischen Leber gestärkt. In der palliativen Situation sollte eine bioptische Sicherung erfolgen.
Bisher wurde die Diagnose in einer zirrhotischen Leber eines hepatozellulären Karzinoms ab 2cm durch zwei unabhängige Bildgebungen (MRT, CT oder Ultraschall) bei typischem Kontrastverhalten gestellt. Die Empfehlung wurde dahingehend geändert, dass die Diagnose „hepatozelluläres Karzinom“ in der zirrhotischen Leber aufgrund eines typischen Kontrastmittelverhaltens mit arterieller Hypervaskularisation und Auswaschen in der portalvenösen und venösen Phase im kontrastverstärkten MRT diagnostiziert werden soll. Bei unklarem MRT-Befund sollte ein triphasisches CT und/oder ein kontrastverstärkter Ultraschall herangezogen werden.
Bei geeigneten Patienten mit einem HCC außerhalb der Mailand-Kriterien und innerhalb der UCSF-Kriterien (d.h. einer Tumorgröße ≤6,5cm bei einem solitären Herd oder maximal drei HCC-Herden mit einem Maximaldurchmesser ≤4,5cm bei einer maximalen Summe der addierten Tumordurchmesser ≤8cm) kann eine Lebertransplantation erfolgen. Das gilt besonders dann, wenn ein Downstaging bis innerhalb der Mailand-Kriterien gelingt. Zum Downstaging stehen, ebenso wie beim Bridging, mehrere Therapieverfahren (transarterielle Verfahren, ablative Verfahren und Leberresektion) zur Verfügung.
Als Standardmethode der lokalablativen Verfahren wurde bisher nur die Radiofrequenzablation empfohlen. Aufgrund der inzwischen guten Datenlage für die Mikrowellenablation wurde diese als äquivalentes Verfahren aufgenommen. Bei dieser minimalinvasiven Behandlungsmethode wird eine Sonde in den Tumor eingeführt, wobei das Gewebe von innen durch Mikrowellen zerstört wird.
Die transarterielle Chemoembolisation (TACE) sollte mehrfach durchgeführt werden, solange ein Ansprechen nachgewiesen werden kann und behandelbare hypervaskularisierte Tumoranteile verbleiben. Bei dem Verfahren wird ein Chemotherapeutikum in den Tumor eingebracht, wodurch die Blutgefäße, die diesen versorgen, verschlossen werden.
Die Indikation zur Fortführung der TACE soll nach zwei Behandlungszyklen im Tumorboard überprüft werden.
Die transarterielle Radioembolisation (TARE) kann nach Beschluss des Tumorboards bei Patienten mit erhaltener Leberfunktion im intermediären HCC-Stadium anstelle einer TACE eingesetzt werden.
Eine Hochpräzisionsradiotherapie (Stereotactic Body Radiotherapy; SBRT) kann in Betracht gezogen werden, wenn andere lokale Therapieverfahren nicht möglich sind (z.B. hohe Wahrscheinlichkeit für ein Therapieversagen, eingeschränkte Leberfunktion, technische Hindernisse).
Während in der letzten Leitlinie (2013) nur auf den Wirkstoff Sorafenib hingewiesen wurde, können mittlerweile weitere Substanzen evidenzbasiert empfohlen werden:
- Zur Erstlinientherapie ist die Kombination von Atezolizumab und Bevacizumab zugelassen, die in der Zulassungsstudie dem Sorafenib überlegen war.
- Auch der Tyrosinkinaseinhibitor Lenvatinib wurde zur Erstlinientherapie zugelassen.
- Weitere Therapieoptionen sind die Tyrosinkinaseinhibitoren Regorafenib und Cabozantinib, oder bei einem Alpha-Fetoprotein-Wert von 400ng/ml der VEGFR2 Antikörper Ramucirumab.
Ebenfalls sehr selten sind biliäre Karzinome, die zu den Leberkrebstumoren gehören. 2.740 Frauen und 2.550 Männer erkrankten im Jahr 2016 daran. Die relative 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei Frauen bei 18%, bei Männern bei 22%. Tumoren der Gallenblase und Gallenwege werden oftmals operativ entfernt und aufgrund des hohen Rezidivrisikos anschließend systemisch behandelt.
„Biliäre Karzinome können molekulare Veränderungen aufweisen, die Angriffspunkte für neue gezielte Therapeutika darstellen. Art und Häufigkeit der Veränderungen unterscheiden sich aber erheblich zwischen den verschiedenen Typen, umso wichtiger ist eine histologische, immunhistologische und gegebenenfalls auch molekularpathologische Differenzialdiagnostik“, so Prof. Dr. med. Nisar Peter Malek, Medizinische Klinik Universitätsklinikum Tübingen und Koordinator der S3-Leitlinie.
Dementsprechend wurden Empfehlungen und Statements zur histopathologischen und molekularen Diagnostik sowie zur bildgebenden und endokrinologischen Diagnostik aufgenommen.
Daneben wurden Risikofaktoren und prophylaktische bzw. therapeutische Maßnahmen in die Leitlinie aufgenommen. Ebenso Empfehlungen und Statements zu operativen und interventionellen Therapieverfahren sowie zur Systemtherapie, palliativen Systemtherapie und Verlaufskontrolle. Zusammenfassend soll die neue Leitlinie dazu beitragen, für Betroffene mit Leberkrebs oder biliären Karzinomen eine angemessene und evidenzbasierte Gesundheitsversorgung sicherzustellen.
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, Pressemeldung, 23.06.2021
Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Diagnostik und Therapie des hepatozellulären Karzinoms und biliärer Karzinome, Langversion 2.0, 2021, AWMF Registernummer: 032/-053OL, https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/hcc-und-billiäre-karzinome