Ein maßgeschneidertes Behandlungskonzept für Asthma-Erkrankte ist nur auf Basis einer sorgfältigen Anamnese, einer Lungenfunktionsprüfung, der Bestimmung von Biomarkern und der Erfassung von Komorbiditäten möglich. Die heutigen Maßnahmen umfassen den individualisierten Einsatz von Medikamenten sowie die Nutzung nicht medikamentöser Therapieoptionen mit dem Ziel der dauerhaften Symptomprävention.
Nach aktuellen Studien sind in Deutschland 6,2 % der Erwachsenen und 4,0 % der Kinder asthmakrank. Wirksame Behandlungsoptionen erlauben der großen Mehrzahl von ihnen heute ein beschwerdearmes und angstfreies Leben. Hierzu ist allerdings eine präzise Diagnostik des Asthmas erforderlich, die infolge fehlender Spezifität einzelner Symptome eine Herausforderung darstellt.
Bausteine der Diagnostik
1. Anamnese und Symptomatik
Die präzise Erfragung und Dokumentation von Symptomen (Episoden von Brustenge, Atemnot, Atemnebengeräuschen und/oder Husten mit individuellen Auslösern) sowie vom nächtlichen Auftreten dieser Beschwerden sind wesentlich für eine valide Asthma-Diagnostik. Hierzu gehört auch die Erhebung von Allergien, da allergologische Testergebnisse (Prick-Test, IgE-Serologie) nur im Kontext Allergen-bezogener Beschwerden von Relevanz sind. Von Bedeutung ist auch, ob das Asthma erstmals in der Kindheit und Jugend („Early-onset-Asthma“, meist im Zusammenhang mit Allergien) oder erstmals im Erwachsenenalter auftrat (meist ohne Nachweis von Allergien, intrinsisches Asthma).
Insbesondere bei einem Adult-onset-Asthma kann die Abgrenzung zur chronisch obstruktiven Lungenkrankheit (COPD) schwierig sein.
2. Lungenfunktionsdiagnostik
Bei spirometrischem oder ganzkörperplethysmografischem Nachweis einer Atemwegsobstruktion ist eine Reversibilitätstestung mit einem kurz wirksamen β2-Sympathomimetikum (SABA, z. B. Salbutamol) indiziert. Eine Rückbildung der Obstruktion 15–30 Min. nach der SABA-Inhalation spricht für die Diagnose Asthma, eine partielle Reversibilität findet sich auch bei COPD-Patienten und -Patientinnen.
Eine typische Anamnese, erhöhte Typ-2-Marker (Eosinophilie, FeNO > 25 ppb in der Ausatmungsluft) und klinisches Ansprechen auf eine 4-wöchige Therapie mit inhalativen Kortikosteroiden (ICS) erlauben die Diagnose Asthma auch ohne Reversibilitätstestung.
Bei Angabe typischer Beschwerden, aber fehlendem Nachweis einer Obstruktion können der Beleg einer bronchialen Hyperreaktivität, z. B. mittels Methacholintestung, oder die Variabilität des Peak Expiratory Flow (PEF) mittels Tagebuchaufzeichnungen 2× täglich gemessener Werte über 2–4 Wochen zur Diagnosesicherung beitragen.
3. Biomarker
Zum Allergienachweis gehören eine Pricktestung und/oder die Bestimmung von allergenspezifischen IgE. Das Gesamt-IgE kann auch bei intrinsischem Asthma und bei Erkrankten mit COPD erhöht sein.
Ein Wert > 300 Eosinophilen/µl Blut unterstützt die Diagnose Asthma. Zu beachten ist, dass die Bluteosinophilie durch ICS oder orale Kortikosteroide (OCS) stark gesenkt werden kann.
Ein erhöhtes FeNO (≥ 25 ppb) und insbesondere ein markant erhöhtes FeNO (≥ 50 ppb) sprechen für die Diagnose Asthma, ebenso das Ansprechen auf eine antiinflammatorische Asthma-Therapie (ICS, Biologika). Die FeNO-Werte werden durch Zigarettenrauchen deutlich gesenkt, sodass die Bestimmung bei starken Raucherinnen und Rauchern nicht sinnvoll ist.
4. Identifizierung asthmatypischer Komorbiditäten
Zu den typischen Komorbiditäten, die identifiziert und ggf. einer gezielten Behandlung zugeführt werden sollen, zählen allergische Rhinitis, chronische Rhinosinusitis mit oder ohne Nasenpolypen, Adipositas, obstruktive Schlafapnoe, atopische Dermatitis, gesteigerter gastroösophagealer Reflux, Vocal Cord Dysfunction und COPD.
Therapiesteuerung
Ziel ist zunächst die Kontrolle des Asthmas (Symptome tagsüber ≤ 2 × /Woche, keine Symptome nachts, Bedarfsmedikation ≤ 2 × /Woche, keine Aktivitätseinschränkungen). Für die weitere Therapiesteuerung sind fortlaufende Festlegungen der Asthma-Kontrolle unerlässlich, wobei sich Behandelnde und Betroffene gemeinsam auf die Kriterien einigen sollten.
Schließlich sollten Risikofaktoren für eine Verschlechterung beachtet werden. Hierzu gehören:
• eine dauerhafte Einschränkung der Lungenfunktion
• Exazerbationen im Vorjahr
• wiederholter Einsatz von OCS und häufige Bedarfsmedikation (SABA)
• hohe Typ-2-Biomarker (Eosinophile, FeNO)
Nicht medikamentöse Maßnahmen
1. Strukturierte Patientenschulung
Ziel der Patientenschulung ist es, Betroffene aktiv in das Management ihrer Erkrankung einzubinden. Sie sollen eine Selbstkontrolle der aktuellen Krankheitsschwere anhand von Symptombeobachtung und Peak-Flow-Protokollierung erlernen und befähigt werden, die Medikation der aktuellen Schwere der Erkrankung anzupassen.
Verbesserte Selbstmanagement-Fähigkeiten führen letztlich zu weniger Asthma-Anfällen, weniger Krankenhaustagen, weniger Notfallbehandlungen sowie Arbeitsunfähigkeitszeiten und Schulfehltagen und damit zu einer höheren Lebensqualität. Alle Asthma-Erkrankten sollten daher zeitnah Zugang zu einem evaluierten, zielgruppenspezifischen und qualitätsgesicherten Schulungsprogramm erhalten, z. B. dem ambulant durchführbaren NASA-Programm der Deutschen Atemwegsliga.
Die Instruktion zur korrekten Inhalationstechnik von Arzneimitteln ersetzt eine strukturierte, verhaltensbezogene Schulung nicht. Allen Betroffenen soll ein individueller Aktionsplan zur Bewältigung akuter Verschlechterungen zur Verfügung gestellt werden.
2. Körperliches Training
Körperliche Aktivitäten lindern Asthma-Symptome, verbessern die Asthma-Kontrolle, steigern die Lebensqualität und erhöhen die kardiovaskuläre Belastbarkeit. Behandlerinnen und Behandler sollten geeignete Maßnahmen des körperlichen Trainings in Abhängigkeit von der Schwere des Asthmas empfehlen, z. B. Angebote des Breitensports bei leichtem Asthma oder die Teilnahme an ambulanten Lungensportgruppen bei mittelschwerem oder schwerem Asthma. Ist dies unter häuslichen Bedingungen nicht möglich, ist die Zuweisung in ein ambulantes oder stationäres Rehabilitationsprogramm zu erwägen. Art und Umfang des körperlichen Trainings sollten einmal im Jahr überprüft werden.
3. Tabakentwöhnung
Aktiv- und Passivrauchen steigert das Risiko einer schlechten Asthma-Kontrolle und von Hospitalisierungen. Ferner wird die Wirksamkeit von Kortikosteroiden herabgesetzt. Nach Aufgabe des Rauchens bessern sich Atemwegsentzündung und Lungenfunktion. Daher gehören die Dokumentation der Rauchgewohnheiten und der Rat zur Abstinenz zu den Elementarpflichten der behandelnden Ärztinnen und Ärzte.
Im Gegensatz zur Nikotinersatztherapie oder Medikamenten zur Unterstützung der Tabakentwöhnung werden elektronische Zigaretten (E-Zigaretten) von ausstiegsbereiten Rauchern meist dauerhaft genutzt. Das anhaltende Inhalieren des Aerosols beinhaltet derzeit nicht abschätzbare Gesundheitsrisiken. Daher sollte bei Asthma die E-Zigarette nicht zur Tabakentwöhnung empfohlen werden, zumal evidenzbasierte Optionen (Verhaltenstherapie, Nikotinersatztherapie, Entwöhnungsmedikamente) gut untersucht, wirksam und sicher sind.
4. Atemphysiotherapie
Atemphysiotherapie (Yoga, Breathing Retraining, Buteyko- und Papworth-Techniken) kann zur Besserung von Hyperventilation, Lungenfunktion und Lebensqualität bei leichtem bis mittelschwerem Asthma beitragen. Darüber hinaus kann die dysfunktionale Atmung durch Umstellung der Mund- auf Nasenatmung und der thorakalen auf bevorzugt abdominale Atemexkursionen verändert werden.
5. Pneumologische Rehabilitation
Die pneumologische Rehabilitation (PR) umfasst die meisten der dargestellten Komponenten der nicht medikamentösen Therapie. Der multimodale, multidisziplinäre Behandlungsprozess der PR soll Asthma-Betroffene unterstützen, ihre bestmögliche physische und psychische Integrität zu erhalten oder wiederzuerlangen. Bei Patientinnen und Patienten mit rezidivierenden Asthma-Exazerbationen soll eine Anschlussheilbehandlung bzw. Rehabilitationsmaßnahme beantragt werden.
Medikamentöse Therapie
Ziele
Kurzfristiges Ziel der medikamentösen Behandlung ist eine bestmögliche Asthma-Kontrolle. Langfristiges Ziel ist das Erreichen einer Asthma-Remission:
• dauerhafte (≥ 12 Monate) Abwesenheit von Asthma-Symptomen
• dauerhafte (≥ 12 Monate) Abwesenheit von Exazerbationen
• stabile Lungenfunktion
• kein Bedarf an OCS für die Behandlung von Asthma über mindestens 12 Monate
Die medikamentöse Langzeittherapie wird weiter nach einem Stufenschema mit dem Ziel des Erreichens einer (guten) Asthma-Kontrolle durchgeführt, wobei eine regelmäßige Re-Evaluation der Therapie inklusive der Möglichkeit einer Reduktion der Dauertherapie (Deeskalation) empfohlen wird. Aktuell wird im Praxisalltag das Step-Down-Prinzip bevorzugt: Therapiestart mit einer höheren Therapiestufe und danach Deeskalation im Verlauf bis zum Erreichen der geringst notwendigen Medikation zur Aufrechterhaltung der Asthma-Kontrolle und -Remission.
Anstrengungsinduzierte Beschwerden
Bei ausschließlich anstrengungsinduzierten Beschwerden wurde bisher meist eine vorbeugende Inhalation eines SABA empfohlen. In vielen Fällen können anstrengungsinduzierte Beschwerden aber Ausdruck einer inadäquaten Asthma-Kontrolle sein. Daher sollte in diesen Situationen die medikamentöse Dauertherapie überprüft werden.
Die zusätzliche Behandlung der Atemwegsentzündung durch eine Bedarfstherapie mit einer ICS/Formoterol-Fixkombination kann hier sinnvoller sein als der alleinige SABA-Einsatz, zumal diese Kombination bei leichtem Asthma (Stufen 1 und 2) Exazerbationen stärker senkte als die alleinige Inhalation eines SABA. Differenzialdiagnostisch ist bei anstrengungsinduzierten Beschwerden auch an mangelnde körperliche Fitness, Adipositas oder Komorbiditäten zu denken.
Basismaßnahmen für alle Therapiestufen
Für alle Therapiestufen gilt die Nutzung nicht medikamentöser Maßnahmen sowie die Vermeidung von Asthma-Triggern (z. B. Allergene, β-Blocker). Bei allergischem Asthma soll die Möglichkeit einer Allergen/Immuntherapie (AIT, Hyposensibilisierung) entweder als sublinguale (SLIT) oder subkutane Allergen/Immuntherapie (SCIT) geprüft werden.
Inhalationssysteme
Da die in der Asthma-Therapie wichtigsten Medikamente per Inhalation eingesetzt werden, ist die Auswahl eines geeigneten Inhalationssystems eine zentrale Aufgabe der Ärztin oder des Arztes in der Betreuung von Asthma-Erkrankten. Die Auswahl erfolgt anhand der kognitiven und motorischen Fähigkeiten der Betroffenen, ihren Präferenzen sowie angepasst an die inspiratorische Atemstromstärke. Wenn möglich, sollte nur ein Inhalationssystem für die inhalative Medikation verwendet werden.
Eine Unterweisung der Patientinnen und Patienten in die korrekte Handhabung des Inhalators sowie die Überprüfung der Inhalationstechnik bei jedem Patientenkontakt sind unabdingbar, insbesondere beim Wechsel des Inhalationssystems. Zusätzlich können die von der Deutschen Atemwegsliga kostenlos zur Verfügung gestellten Schulungs-Videos für jedes verfügbare Inhalationssystem genutzt werden.
Cave: Der Austausch eines Inhalators ohne entsprechendes Training in der Anwendung des neuen Geräts kann den Therapieerfolg gefährden.
Therapiestufen für Erwachsene
Stufe 1
Bisherige Therapie der Wahl in Stufe 1 mit weniger als 2 × /Woche auftretenden Beschwerden war die Inhalation eines SABA bei Bedarf. Da dies nach der NVL Asthma aus 2020 den Verlust der Asthma-Kontrolle, eine Zunahme der bronchialen Hyperreaktivität und eine erhöhte Sterblichkeit nach sich ziehen kann, ist dieses Vorgehen nicht länger als 1. Wahl haltbar. Und so wird bereits in der NVL (2020) und in den neueren Asthma-Leitlinien die Empfehlung für eine Bedarfstherapie mit einer Fixkombination aus einem entzündungshemmenden ICS und dem rasch atemwegserweiternden Formoterol empfohlen, die allerdings in Deutschland nicht zugelassen ist. Außerdem kann eine niedrig dosierte ICS-Dauertherapie bei leichten Asthma-Formen Exazerbationen reduzieren, sodass diese, kombiniert mit SABA bei Bedarf, als Alternative zu ICS/Formoterol bei Bedarf in Stufe 1 eingesetzt werden kann.
Stufe 2
Bei Betroffenen mit häufiger auftretenden Asthma-Symptomen (≥ 2 × /Woche) können zum einen eine Dauertherapie mit ICS sowie SABA bei Bedarf, zum anderen auch die Fixkombination ICS/Formoterol bei Bedarf empfohlen werden.
Stufe 3
In Stufe 3 mit noch häufigeren Beschwerden wird eine Basistherapie mit niedrig dosiertem ICS (z. B. bis zu 400 µg Budesonid/Tag) und einem lang wirksamen β2-Sympathomimetikum (LABA) zur Dauertherapie empfohlen, immer als ICS/LABA-Fixkombination, um die Risiken einer Monotherapie mit β2-Sympathomimetika zu vermeiden. Alternativ kann ein ICS in mittlerer Dosis (z. B. bis zu 800 µg Budesonid/Tag) plus SABA bei Bedarf eingesetzt werden. Enthält die Fixkombination aus ICS/LABA Formoterol, kann diese Kombination sowohl zur Bedarfs- als auch zur Dauertherapie genutzt werden.
Stufe 4
In erster Linie ist hier eine Kombination aus mittel- bis hoch dosiertem ICS (bis zu 800 bzw. 1 600 µg Budesonid/Tag) mit dem LABA Formoterol zu empfehlen, die dann sowohl bei Bedarf als auch in der Dauerbehandlung zum Einsatz kommt. In Abhängigkeit von Symptomatik und Entzündungsaktivität können entweder ein lang wirksames Anticholinergikum (LAMA), z. B. Tiotropium, oder ein hoch dosiertes ICS (z. B. 1 600 µg Budesonid/Tag) bei unzureichender Asthma-Kontrolle genutzt werden, auch in Form einer Triple-Therapie mit ICS/LABA/LAMA per Inhalator.
Stufe 5
Betroffene mit persistierenden Symptomen und/oder Exazerbationen sollten durch eine Pneumologin oder einen Pneumologen mitbehandelt werden. Nach Überprüfung der Diagnose Asthma, Ausschluss anderer Ursachen der fortbestehenden Beschwerden einschließlich einer „mangelnden“ Therapieadhärenz (inkorrekte Inhalationstechnik, unregelmäßig eingesetzte Medikation, fehlende Meidung von Asthma-Triggern) ist ein 3-monatiger Einsatz der Kombination aus hohem/höchst dosiertem ICS, LABA und LAMA ratsam.
Falls trotz Einhaltung der Basismaßnahmen und maximaler inhalativer Behandlung Exazerbationen auftreten und OCS notwendig werden, ist eine Zusatztherapie mit Biologika unter Fortführung der Basistherapie indiziert. Eine Dauertherapie mit systemischen Kortikosteroiden (OCS, z. B. Prednisolon) darf wegen ihrer bedeutsamen Nebenwirkungen nur noch zum Einsatz kommen, wenn die verfügbaren Biologika versagen.
Die Behandlung mit den kostspieligen Biologika sollte von in der Therapie des schweren Asthmas erfahrenen Ärztinnen und Ärzten erfolgen. Die Auswahl eines spezifischen Biologikums richtet sich nach Anamnese, Biomarkern, Komorbiditäten und Dosierungsintervallen (Abb.).
Eine Re-Evaluation wird 3–6 Monate nach Beginn einer Biologikabehandlung empfohlen. Kriterien des Ansprechens sind Reduktion von Exazerbationen und Abnahme des Bedarfs an systemischen Kortikosteroiden sowie die Verbesserung der Asthma- Kontrolle. Bei fehlendem Ansprechen sollte auf ein anderes Biologikum umgestellt oder die Therapie beendet werden.
Eine individuell zugeschnittene, maßgeschneiderte, nachhaltige Asthma-Therapie basiert auf einer differenzierten Diagnostik, auch unter Nutzung von Biomarkern. Das Ziel der Behandlung, die Remission, ist auch bei schwerem Asthma durch Auswahl geeigneter Biologika statt einer Dauermedikation mit systemischen Kortikosteroiden erreichbar.
Der Autor
Prof. Dr. med. Heinrich Worth
Facharzt für Pneumologie
Facharzt Forum Fürth
Pneumologische & kardiologische Praxisgemeinschaft
Literatur beim Autor
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