- Anzeige -
Allgemeinmedizin

Akutes Koronarsyndrom

Der Myokardinfarkt in der Praxis

Steffen Robens

11.11.2022

Ein akuter Myokardinfarkt (AMI) in der eigenen Hausarztpraxis ist ein zeitkritischer Notfall mit Eskalationsrisiko. Auch ist die sichere Diagnose mit Praxismitteln nicht immer möglich. Was Hausärzte tun können, bis der Rettungsdienst kommt.

 Unter dem Begriff des akuten Koronarsyndroms (ACS) sind verschiedene obstruktive Mangelperfusionszustände des Myokards zusammengefasst. Dazu gehören der klassische ST-Streckenhebungsinfarkt (STEMI), der EKG-unspezifische NSTEMI und die instabile Angina pectoris (UAP oder iAP). UAP und NSTEMI werden auch unter dem Begriff Non-ST-elevation-ACS (NSTE-ACS) gebündelt und dem STEMI (STE-ACSC) gegenübergestellt.

Jährlich erleiden in Deutschland fast 700 000 Menschen ein ACS. In Europa ist die ischämische Herzkrankheit der Grund für jeden fünften Toten. 5 bis 10 % sterben bei Auftreten des ACS sofort an einem Kammerflimmern.

Klinisch klagen Betroffene meist über starke, retro­sternale Druckschmerzen (70 %) mit Ausstrahlung in den linken Arm (30 %) oder ins Epigastrium
(20–30 %). Diese Schmerzen ähneln Angina-pectoris-Schmerzen und dauern länger als 20 Minuten. Der Patient ist blass, kaltschweißig, klagt über Übelkeit und Todesangst. Die differenten und teilweise stummen Symptome von Frauen sind auch in der Bevölkerung zunehmend bekannter. Problematisch sind Patienten mit Diabetes mellitus, deren Symptome vollkommen stumm verlaufen können.

Steht der Verdacht eines ACS im Raum, ist der ­Patient auch mit unbestätigter Diagnose als kritisch anzusehen. Er muss ohne unnötige Verzögerung innerhalb von 120 Minuten in einem Krankenhaus mit Herzkatheterlabor vorgestellt werden. Das Ziel ist die perkutane Koronarintervention (PCI). Ist das nicht möglich, muss eine Reperfusion per Fibrinolyse angestrebt werden. Zwar wird der Rettungsdienst alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, aber Zeit ist Myokard. Was kann der Hausarzt also selbst tun?

Diagnose

Präklinisch stellt sich dem Arzt das Problem, dass er nicht über die diagnostischen Möglichkeiten verfügt, um eine sichere Diagnose stellen zu können. Nach Wunsch der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) soll innerhalb der ersten zehn Minuten des Myokardverdachts ein 12-Kanal-EKG geschrieben und interpretiert werden. Hier können die STEMI-typischen EKG-Veränderungen auftreten: Eine ST-Hebung am J-Punkt von ≥ 1 mV in mindestens zwei zusammenhängenden Ableitungen außer V2 und V3. Bei der Bewertung sollte man alters- und geschlechtsspezifische Unterschiede beachten: Für Frauen liegt die Grenze zum STEMI bei > 1,5 mV, während sie bei Männern unter 40 Jahren mit > 2,5 mV höher als bei älteren Männern mit
> 2 mV liegt. Für die Diagnose eines akuten Myokardinfarkts müssen zwei Kriterien erfüllt sein: Der Anstieg oder Abfall des kardialen Biomarkers hs-cTn (hochsensitives kardiales Troponin) mit mindestens einem Perzentil oberhalb des Referenzwerts und eines der folgenden Kriterien:

  • Symptome einer Myokardischämie
  • neue ischämietypische EKG-Veränderungen,
  • pathologische Q-Zacke
  • Hinweise auf Verlust von vitalem Myokard oder Wandbewegungsstörung in der Bildgebung
  • intrakoronarer Thrombus bei der Angiografie

Die Mehrzahl der Point-of-Care-Tests auf Troponin ist aber weder sensitiv noch hochsensitiv. Je nach lokaler Vorliebe der aufnehmenden Klinik wird präklinisch abgenommenes Blut für die Serumanalyse akzeptiert und sollte abgenommen werden.

Der Weg zur Reperfusion

Die Untersuchung erfolgt wie gewohnt nach cABCDE-Schema. Zum Monitoring gehört die lückenlose EKG-Überwachung. Bei 15 % aller Patienten mit akutem Myokardinfarkt kommt es zum Kammerflimmern (VF). Dementsprechend muss sich der Hausarzt auf eine kardiopulmonale Reanimation einstellen. Ein automatischer externer Defibrillator (AED) sollte in einer Praxis zum Notfallequipment gehören.

Maßnahmen wie erhöhter Oberkörper und intravenöser Zugang sind obligatorisch. Bei der Therapie des ACS half früher das Akronym MONA(H) (Morphin, Oxygen, Nitroglycerin, ASS und Heparin). Das ist heute durch das aktuellere AHAB (ASS, Heparin, Analgesie/Anxiolyse und Betablocker) ersetzt worden. Bei der Sauerstofftherapie hat sich die Lehrmeinung von der pauschalen Sauerstoffgabe weg hin zur bedarfsorientierten Hypoxiebekämpfung ab einem SpO2 < 90 % entwickelt. Bei kardialem Schockgeschehen wäre der Betablocker kontraindiziert. Vor der primären PCI sollte der Patient die duale antithrombozytäre Therapie (DAPT) erhalten: Eine Kombination aus 75–250 mg Acetylsalicylsäure i. v., einem P2Y12-Inhibitor (Clopidogrel, Prasugrel, Ticagrelor, Cangrelor) und einem parenteralen Antikoagulans (70 IE/kg KG Heparin i. v. oder Enoxaparin 0,5 mg/kg KG i. v.).

Literatur in der Redaktion

Lesen Sie mehr und loggen Sie sich jetzt mit Ihrem DocCheck-Daten ein.
Der weitere Inhalt ist Fachkreisen vorbehalten. Bitte authentifizieren Sie sich mittels DocCheck.
- Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

123-nicht-eingeloggt