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Allgemeinmedizin

Absolute Arrhythmie

Leitliniengerechte Therapie bei Vorhofflimmern

Dr. med. Olaf Krahnefeld

17.11.2022

Vorhofflimmern ist die häufigste Rhythmusstörung in deutschen Praxen. Die Bandbreite der Symptome ist enorm und weist ein Spektrum von Asymptomatik über Einschränkung der kardiopulmonalen Leistungsbreite bis hin zum dauerhaft behindernden Schlaganfall auf. Welche Pharmakotherapien haben sich bewährt, welche nicht?

 Vorhofflimmern ist die häufigste Rhythmusstörung in Europa: jeder dritte Europäer erkrankt im Laufe seines Lebens daran. Nicht zuletzt aufgrund der hohen volkswirtschaftlichen Kosten, die Vorhofflimmern verursacht, bestehen umfangreiche Behandlungsleitlinien der europäischen und amerikanischen Fachgesellschaften. Wie eigentlich fast jede erworbene kardiovaskuläre Erkrankung ist auch Vorhofflimmern als Folgeerkrankung des modernen Lebens­stils zu verstehen. Im Vordergrund der beeinflussbaren ­Auslöser für die Entstehung von Vorhofflimmern stehen Adipositas, arterielle Hypertonie, gesteigerter Alkoholkonsum, Nikotinabusus und Diabetes mellitus sowie die körperliche Inaktivität. Nicht verwunderlich ist daher die Koinzidenz von Vorhofflimmern und der koronaren Herzkrankheit (KHK) oder der peripheren arteriellen Verschlusserkrankung (pAVK).

Hit hard and early

Die Therapie von Vorhofflimmern sollte am ­besten auch die Beeinflussung der auslösenden Lebens­stilfaktoren beinhalten. Die im Folgenden dargestellten Behandlungsstrategien sind mittel- und langfristig umso effektiver, je besser die Auslöser therapeutisch unter Kontrolle gebracht werden. Nachdem Vorhofflimmern in einem 30-Sekunden-1-Kanal-EKG (z. B. zertifizierte Smartwatch) oder im 12-Kanal-EKG dokumentiert wurde, sollte unmittelbar die Behandlung gestartet werden. In einem ersten Schritt wird das Schlaganfallrisiko überprüft. Heutzutage wird jeder Patient mit einem CHA2DS2-VASc-Score (Tab.) ab 1 Punkt (außer weibliches Geschlecht) dauerhaft antikoaguliert. Die Durchführung ist seit der Verfügbarkeit der neuen Antikoagulanzien (NOAK) erheblich einfacher geworden. Fällt die Entscheidung auf die einmal täglich zu verabreichende Substanz Rivaroxaban, ist die abendliche Gabe ratsam, da die Resorption mit einer Mahlzeit verlässlich ist und keine zwingende Pause z. B. bei Zahnarztbesuch oder kleineren ­Eingriffen erforderlich wird (aufgrund des vormittags fallenden Medika­mentenspiegels).

Im zweiten Schritt geht es um die Symptomkon­trolle der Patienten: Die Basis dafür ist die Dauertherapie mit einem Betablocker, wobei aus Compliance-Gründen vorzugsweise lang wirksame Substanzen wie Bisoprolol, Metoprololsuccinat oder Nevibolol eingesetzt werden sollten. Betablocker sollen bei Vorhofflimmerepisoden den überschießenden Anstieg der Herzfrequenz verhindern. Aber Symptomkontrolle ist auch Rhythmuskontrolle: spätestens seit Oktober 2020 wissen wir aus der EAST-Studie, dass das Prinzip „hit hard and early“ auch bei Vorhofflimmern gilt. Wenn wir uns also bereits ab der ­Diagnosestellung aktiv um den Erhalt des Sinusrhythmus kümmern – sei es durch Flecainid, Amiodaron oder eine Katheterablation –, werden wir bei unseren Patienten ein geringeres Risiko für Schlaganfälle, akute Koronarsyndrome, Klinikaufenthalte und die Verschlechterung einer Herzinsuffizienz sowie der Herz-Kreislauf-Mortalität erzielen. Sotalol wird in Deutschland – zu Recht – wegen der möglichen proarrhythmischen Nebenwirkungen insbesondere bei Frauen kaum noch eingesetzt. Dronedaron – einst Hoffnungsträger unter den Antiarrhythmika – weist leider nur schwache Therapieeffekte auf und spielt im rhythmo­logischen Repertoire keine Rolle mehr. Spätestens jetzt kommt der Kardiologe ins Spiel, denn Flecainid ist zwar schnell und einigermaßen gut wirksam, sollte aber tunlichst nicht bei signifikanter Hypertrophie des linken Ventrikels oder relevanter linksventrikulärer Dysfunktion eingesetzt werden, sodass eine echokardiografische Bestandsaufnahme vor Beginn einer Flecainid-Behandlung zwingend erforderlich wird. Zudem sind EKG-Kontrollen der QRS- und QT-Dauer im Verlauf erforderlich, um die gefährlichen Fälle des erworbenen Long-QT-Syndroms zu erkennen.

Amiodaron kann auch bei relevanten organischen Herzerkrankungen eingesetzt werden, ist aber aufgrund des Nebenwirkungsspektrums bei Patienten äußerst un­beliebt. Zudem erfolgt bei Thera­pie­beginn wegen möglicherweise rasch einsetzender Brady­­­kardien und QT-Verlängerungen in den ­ersten 48 ­Stun­den der Behandlung idealer­weise eine Mo­ni­tor­überwachung. Bei einer Amiodaron-Aufsättigung mit nur 400 mg/Tag über 10 Tage können ­deutlich weniger signifikante Bradykardien und QT-Verlängerungen ­beobachtet werden. Die häufigsten Gründe für einen Abbruch der Therapie mit Amiodaron sind Schild­drüsenfunktionsstörungen (Hyperthyreose oder Hypothyreose), QT-Verlängerungen, Anstieg der hepa­tischen Transaminasen, Bradykardien, Kornea-­­­­Ab­lagerungen und selten Hautveränderungen.

Pulmonalvenenisolation

Auf Patientenwunsch kann heutzutage unabhängig von der Symptomatik die Pulmonalvenenisolation bei jeder Form von Vorhofflimmern durchgeführt werden – ob nun zu Erkrankungsbeginn bei der Diagnosestellung eines Vorhofflimmerns oder bei Versagen der antiarrhythmischen Therapie mit Flecainid oder Amiodaron. Vornehmliches Ziel muss der Rhythmuserhalt sein. Nur hierdurch können die langfristige Morbidität und Mortalität gesenkt werden.

Literatur beim Autor

Bildnachweis: privat

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