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Fokus Naturmedizin

Weidenrinde & Co

Rückenschmerzen beikommen

Dr. phil. nat. Miriam Neuenfeldt

23.1.2023

Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten gesundheitlichen Beschwerden. Im multimodalen Behand­lungskonzept ist die Phytotherapie ein fester Bestandteil, da Weidenrinde, Teufelskralle, Capsaicin & Co antiinflammatorische sowie analgetische Effekte bei vorteilhaften Nebenwirkungsprofilen zeigen.

 Die Ergebnisse der Krankheitslast-Studie BURDEN 2020 zeigten, dass mehr als 61 % der Menschen in Deutschland in den vergangenen zwölf Monaten Rückenschmerzen hatten. Kreuzschmerzen stellen eine enorme sozioökonomische Belastung und die zweithäufigste Einzeldiagnose für Krankschreibungen dar [1]. Unter Berücksichtigung der psychosozialen Komponente werden Rückenschmerzen multimodal therapiert. Integraler Bestandteil sind dabei naturheilkundliche Verfahren, vor allem Phytotherapeutika, denn sie enthalten zahlreiche wirksamkeitsmitbestimmende Inhaltsstoffe, woraus synergistische Effekte resultieren [2].

Weidenrinde

Weidenrindenextrakte enthalten Salicin, das durch Umwandlung in Salicylsäure über Cyclooxygenase-2(COX-2)-Hemmung die Bildung proinflammatorischer Prostaglandine unterbindet. Im Gegensatz zu NSAR ist jedoch keine ulzerogene Wirkung auf den Gastrointestinaltrakt zu erwarten. Darüber hinaus hemmen Weidenrindenextrakte die Leukotriensynthese, Zytokinfreisetzung und üben zusätzlich antioxidative Effekte aus, was den enthaltenen Flavonoiden zugeschrieben wird. Das pflanzliche Vielstoffgemisch wirkt daher analgetisch und antiphlogistisch (Tab.). Aufgrund ihres vorteilhaften Nebenwirkungsprofils können Weidenrinden­extrakte auch im Zuge einer Langzeittherapie von Rückenschmerzen eingesetzt werden. Gemäß der Nationalen VersorgungsLeitlinie „Nicht-spezifischer Kreuzschmerz“ kann Weidenrinde in Kombination mit aktivierenden Maßnahmen angewendet werden [3]. Begründet wird diese Empfehlung mit den Ergebnissen eines Cochrane-Reviews [2]. Demzufolge reduzierte die tägliche orale Dosis von Weidenrindenextrakt mit 240 mg Salicin die Schmerzintensität bei kurzzeitiger Exazerbation von chronischen nicht spezifischen Kreuzschmerzen besser als Placebo. Eine weitere Studie verglich die Einnahme von Weidenrindenextrakt mit 240 mg Salicin pro Tag mit 12,5 mg Rofecoxib/Tag über vier Wochen. Es bestand kein signifikanter Unterschied in der Effektivität. Aufgrund vorliegender Untersuchungen zu Wirksamkeit und Unbedenklichkeit ist Weidenrinde von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zum allgemein medizinisch anerkannten Gebrauch (well-established use) zur kurzzeitigen Linderung von Kreuzschmerzen zugelassen [3].

Teufelskralle

Die Wurzel der Teufelskralle enthält das Iridoidglykosid Harpagosid, welches zusammen mit weiteren Pflanzeninhaltsstoffen in die Arachidonsäurekaskade eingreift und die Freisetzung proinflammatorischer Zytokine hemmt. Die wirksamkeitsrelevanten Harpagoside hemmen sowohl COX-2 und somit die Bildung von proinflammatorischem PGE2 als auch die 5-Lipoxygenase (5-LO). Zubereitungen aus Harpagophytum procumbens mit über 50 mg Harpagosid täglich können akute Exazerbationen bei chronischen Rückenschmerzen wirksam lindern [4].

Im bereits erwähnten Cochrane-Review wurden drei randomisierte, kontrollierte Studien zur Anwendung von Teufelskralle bei chronischen nicht spezifischen Kreuzschmerzen berücksichtigt [2]. Die tägliche Gabe des Phytotherapeutikums standardisiert auf 50 bzw. 100 mg Harpagosid reduzierte kurzzeitig ­signifikant die Schmerzintensität (2 Studien, insgesamt 315 Patienten). Der Vergleich von Teufelskralle (60 mg Harpagosid) mit 12,5 mg Rofecoxib ergab keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich Effektivität oder Nebenwirkungsrate (1 Studie, 88 Patienten). Der Evidenzgrad zur Anwendung von Teufelskralle bei nicht spezifischen Kreuzschmerzen ist allerdings im Vergleich zu Weidenrinde geringer [3].

Weihrauch und Kurkuma

Weihrauchharz enthält Boswellisäuren, die antiinflammatorische Effekte über die Hemmung proinflammatorischer Leukotriene, Prostaglandine und Zytokine ausüben. Das Harz des indischen Weihrauchs ist im Europäischen Arzneibuch beschrieben.  Der indische Weihrauch gilt als Arzneiweihrauch. Aufgrund der entzündungshemmenden Effekte haben sich Weihrauchextrakte auch in der Therapie der rheumatoiden Arthritis bewährt [5]. Bei Arthrose-Patienten erwies sich die Kombination von Weihrauch- mit Kurkumaextrakten wirksamer als der ­selektive COX-2-Hemmer Celecoxib [6]. Vor allem das enthaltene Curcumin des Kurkumarhizoms zeigt stark antioxidative und entzündungshemmende ­Effekte [5].

Topisch applizierbare Phytotherapeutika

Pflanzliche Zubereitungen mit Capsaicin, Beinwell sowie hyperämisierende und ätherische Öle (z. B. Rosmarin, Minze, Lavendel) finden in der lokalen Behandlung von Rückenschmerzen häufig Anwendung und ergänzen die orale Phytotherapie. Über ihre analgetischen und antiinflammatorischen ­Effekte hinaus verbessern topische Zubereitungen auch durch die lokale Massagewirkung die Befindlichkeit der Betroffenen [3].

Capsaicin

Das Alkaloid Capsaicin ist in verschiedenen Paprikaarten (z. B. Chilis) enthalten und ein hoch selektiver Agonist für den Hitzerezeptor „transient receptor potential vanilloid 1“ (TRPV1). Die Stimulation kutaner Nozizeptoren, die TRPV1 exprimieren, führt durch die Freisetzung von vasoaktiven Neuropeptiden, vor allem von Substanz P, zunächst zu einer starken Gefäßerweiterung, zur Wärmeentwicklung, zu Brennen und möglicherweise zu Erythemen. Zusätzlich blockiert Capsaicin spezifisch den neuronalen Transport und die De-novo-Synthese von Sub­stanz P. Nach mehrmaliger Capsaicin-Exposition kommt es zur Desensibilisierung der kutanen Nozizeptoren und zur Schmerzlinderung [7].

Zur lokalen Therapie chronischer Rückenschmerzen liegen gute Erfahrungen für Capsaicin-haltige Präparate vor. Gemäß der Nationalen VersorgungsLeitlinie „Nicht-spezifischer Kreuzschmerz“ können Capsaicinpflaster und -cremes im Zuge des Selbstmanagements in Kombination mit aktivierenden Maßnahmen angewendet werden. Denn mit topisch appliziertem ­Capsaicin konnte im Vergleich zu Placebo bei akuten und chronischen nicht spezifischen Kreuzschmerzen eine signifikante schmerzlindernde Wirkung erzielt werden. Capsaicin ist von der EMA zur kurzzeitigen Linderung von Muskelschmerzen wie Kreuzschmerzen zugelassen (well-established use) [3].

Beinwell

Vor allem aufgrund der enthaltenen Inhaltsstoffe Allantoin und Rosmarinsäure zeigen topische Beinwellzubereitungen antiinflammatorische und analge­tische Effekte, u. a. bei Arthrose und akuten Rücken­schmerzen. In verfügbaren Beinwell-haltigen Cremes sind herstellungsbedingte Verunreinigungen mit­ ­hepatotoxischen Pyrrolizidinalkaloiden ausgeschlossen. Eine Studie mit 215 Patienten verglich zwei unterschiedliche Konzentrationen von Beinwellzubereitungen aus Blättern und Kraut (10 % vs. 1 %) bei oberen und unteren Rückenschmerzen. Die höhere Konzentration zeigte eine signifikant stärkere Schmerzreduktion im Vergleich zur niedrigeren Konzentration. Eine placebokontrollierte randomisierte Studie zu einer Creme mit Beinwellwurzelextrakt bei 120 Patienten mit akuten oberen und unteren Rücken­schmerzen zeigte eine kurzzeitige signifikante Schmerzreduktion [8]. Trotz geringer Evidenz kann gemäß der NVL „Nicht-spezifischer Kreuzschmerz“ eine Anwendung von Beinwell-haltigen Cremes im Zuge des Selbstmanagements vertretbar sein [3].

Pfefferminze und Wintergrün

Hauptinhaltsstoffe von Pfefferminzöl sind Menthol und Menthon. Pfefferminzöl wirkt kühlend, denn Menthol verdunstet bei Zimmertemperatur und hinterlässt dabei Verdunstungskälte. Dies regt Kälterezeptoren in der Haut an und führt zu einer Desensibilisierung von Nozizeptoren. Neben dem analgetischen Effekt fördert Pfefferminzöl die Durchblutung und wirkt entkrampfend.

Aufgrund synergistischer Effekte der Inhaltsstoffe bietet die Kombination von Pfefferminz- mit Wintergrünöl eine weitere Therapieoption bei der Behandlung von unteren Rückenschmerzen. Das aus dem Wintergrün gewonnene Methylsalicylat weist ähnliche Eigenschaften wie Acetylsalicylsäure auf [7].

Johanniskraut

Als wirksamkeitsmitbestimmende Inhaltsstoffe ­gelten vor allem das Hyperforin und das Hypericin. Massagen mit Johanniskrautöl wirken entspannend und entzündungshemmend. Darüber hinaus kann der stimmungsaufhellende Effekt des Johanniskrauts therapiebegleitend bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen und depressiven Verstimmungen von Vorteil sein.

UMP und B-Vitamine

Eine mögliche Ursache für Rückenschmerzen stellen periphere Nervenschädigungen aufgrund von Wirbelsäulensyndromen dar. Bei dieser Diagnose kann zusätzlich zur Analgesie kausal mit einer neurotropen Nährstoffkombination aus Uridinmonophosphat (UMP), Vitamin B12 und Folsäure therapiert werden. UMP hat Funktionen im Zellstoffwechsel und in der Zellregeneration, kann aber von den Nervenzellen nicht synthetisiert werden. Die neurotrope Nährstoffkombination kann somit den erhöhten Bedarf von UMP und den beiden B-Vitaminen peripherer Nerven decken und den Regenerationsprozess ­geschädigter Nerven unterstützen [9].

Naturmedizin und Phytotherapie im multimodalen Behandlungskonzept von Rückenschmerzen

Die Phytotherapie bietet zahlreiche Möglich­keiten, das multimodale Behandlungskonzept von Rückenschmerzen zu erweitern. Dabei ­bieten Weidenrinde, Teufelskralle oder Weihrauch zur innerlichen Anwendung gute Erfahrungswerte. Zur lokalen Therapie von chronischen Rücken­schmerzen haben sich Capsaicin, durchblutungsfördernde ätherische Öle sowie Einreibungen mit frischen Brennnesselblättern bewährt [2,10].

Die Autorin

Dr. phil. nat. Miriam Neuenfeldt
Wissenschaftliche
Autorin & Referentin
18439 Stralsund

info@phar-med.de
www.phar-med.de

  1. www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsJ/JoHM_S3_2021_Rueckenschmerz_Nackenschmerz.pdf?__blob=publicationFile, Stand: 11.2022
  2. Oltean H et al., Cochrane Database Syst Rev 2014; DOI 10.1002/14651858.CD004504.pub4
  3. Rittner H et al., NVL Nicht-spezifischer Kreuzschmerz, 2. Auflage, 2017; AWMF-Register-Nr.: nvl-007
  4. Chrubasik JE et al., Phytother Res 2007; 21: 675–683
  5. Neuner-Kritikos A, Antiinflammatorisch wirksame Naturstoffe. OM & Ernährung 2018; SH09, Sonderheft Immunologie
  6. Kizhakkedath R, Mol Med Rep 2013; 8: 1542–1548
  7. Hebert PR et al., J Altern Complement Med 2014; 20: 219–220
  8. Staiger C, Phytother Res 2012; 26: 1441–1448
  9. Negrão L et al., Pain Manag 2014; 4: 191–196
  10. Chrubasik S, zkm 2014; 6: 26–30
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