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Recht

Gesetzesänderung

Werbung für Schwangerschaftsabbrüche – Was ist nun erlaubt?

Dr. jur. Christian Bichler

28.10.2022

Während andere Länder auf der Erde ihr Abtreibungsrecht verschärfen – so beispielsweise die USA –, ist in Deutschland der in den vergangenen Jahren viel diskutierte § 219a StGB gestrichen worden. Dieser Beitrag beschreibt, was nun möglich ist und was weiterhin unzulässig bleibt.

Ärzte können in Zukunft wieder ohne Sorge vor Sanktionen über den Umstand informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen und welche Methoden sie anbieten, was für ungewollt Schwangere eine erhebliche Erleichterung darstellt, professionelle Hilfe zu finden.

Der (un)zulässige Schwangerschaftsabbruch in Deutschland

Zunächst ist klarzustellen, dass in Deutschland ein Schwangerschaftsabbruch eigentlich rechtswidrig ist. Besonders hart bestraft, und das selbstverständlich zu recht, wird ein Schwangerschaftsabbruch, wenn der Täter gegen den Willen der Schwangeren handelt oder leichtfertig die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung der Schwangeren verursacht (§ 218 StGB). Sollte die Schwangere selbst hingegen die Tat begehen, ist das Strafmaß geringer. Eine Schwangere wird auch nicht bestraft, wenn sie versucht, die Schwangerschaft abzubrechen, dabei jedoch nicht erfolgreich ist. Daneben sind in § 218a StGB weitere Konstellationen normiert, bei denen ein Schwangerschaftsabbruch straflos ist.

Informationen sind für ungewollt Schwangere eine echte Erleichterung.

Diese Fälle sind jedoch an enge Voraussetzungen geknüpft. So wird eine Schwangere nicht bestraft, wenn der Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen von einem Arzt durchgeführt wird und zuvor eine Beratung stattgefunden hat. Auch nach Ablauf dieser Frist kann eine Abtreibung straffrei sein, insbesondere wenn es gilt, eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann (sozial-medizinische Indikation). Auch bei für die Schwangerschaft ursächlichen Sexualdelikten kann unter Einhaltung gesetzlich geregelter Bedingungen ein Schwangerschaftsabbruch straflos durchgeführt werden (kriminologische Indikation). Mit dem Schwangerschaftskonfliktgesetz existiert sogar ein eigenes Gesetz, dass die Kriterien für eine straflose Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen detailliert festlegt.  

Demnach regeln mehrere gesetzliche Vorschriften unterschiedliche Kriterien und Konstellationen für straflose Schwangerschaftsabbrüche. Eines haben jedoch alle „legalen“ Schwangerschaftsabbrüche gemein: sie müssen von einem Arzt ausgeführt werden. Bei den wegen sozial-medizinischer oder kriminologischer Indikation straflos möglichen Schwangerschaftsabbrüchen kommt den Ärzten zudem eine weitere Aufgabe mit gewissem eigenem fachlichem Entscheidungsspielraum zu, da sie erst „nach ärztlicher Erkenntnis“ der jeweiligen rechtfertigenden Indikation handeln dürfen. Nicht zuletzt aufgrund dieser besonderen und gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Rolle müsste es eigentlich selbstverständlich sein, dass Ärzte, die entsprechende Eingriffe anbieten, potenzielle Patientinnen darüber auch in geeigneter Form informieren dürfen.

Das Recht auf Selbstbestimmung wurde durch den alten Paragrafen 219 verletzt.

Der „alte“ § 219a StGB

Dennoch untersagte bislang § 219a StGB (a. F.) die Werbung für Schwangerschaftsabbrüche aus wirtschaftlichen Interessen und in „grob anstößiger Weise“. Da Schwangerschaftsabbrüche anbietende Ärzte damit – wie bei jeder anderen ärztlichen Leistung auch – Geld verdienen, war der Tatbestand der Strafvorschrift schnell erfüllt. Begründet wurde dieses Werbeverbot unter anderem damit, dass Schwangerschaftsabbrüche verharmlost werden könnten und eine wirtschaftliche Ausbeutung ­befürchtet wurde. Die Vorschrift besagte bislang Folgendes: „§ 219a Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft

(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise

1. eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder
2. Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Der Tatbestand war nach dem alten Paragrafen schnell erfüllt.

(2) Absatz 1 Nr. 1 gilt nicht, wenn Ärzte oder auf Grund Gesetzes anerkannte Beratungsstellen darüber unterrichtet werden, welche Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen bereit sind, einen Schwangerschaftsabbruch unter den Voraussetzungen des § 218a ­Absatz 1 bis § 218a Absatz 3 vorzunehmen.
(3) Absatz 1 Nr. 2 gilt nicht, wenn die Tat gegenüber Ärzten oder Personen, die zum Handel mit den in Absatz 1 Nr. 2 erwähnten Mitteln oder Gegenständen befugt sind, oder durch eine Veröffentlichung in ärztlichen oder pharmazeutischen Fachblättern begangen wird.
(4) Absatz 1 gilt nicht, wenn Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen

1. auf die Tatsache hinweisen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche unter den Voraussetzungen des § 218a Absatz 1 bis § 218a Absatz 3 vornehmen oder
2. auf Informationen einer insoweit zuständigen ­Bundes- oder Landesbehörde, einer Beratungsstelle nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz oder einer Ärztekammer über einen Schwangerschaftsabbruch hinweisen.“

Die Abschaffung des § 219a StGB (a. F.)

Dadurch hatten Schwangere Probleme, zuverlässige Informationen zu bekommen, wodurch letztlich das verfassungsrechtlich verankerte Selbstbestimmungsrecht der Frau beschnitten und auch die Ärzteschaft in ihrer ebenfalls durch das Grundgesetz geschützten Berufs(ausübungs)freiheit eingeschränkt wurde. So war es u. a. untersagt, potenzielle Patientinnen darüber zu informieren, welche Methode des Schwangerschaftsabbruchs sie anbieten.

Wie ernst die rechtliche Situation für die Ärzteschaft bisher war, zeigt der Fall einer Ärztin aus Gießen, die wegen Verstoßes gegen § 219a StGB (a. F.) strafrechtlich verurteilt wurde, da sie auf der Internetseite ihrer Arztpraxis über die von ihr bei Schwangerschaftsabbrüchen angewandten Methoden informierte. Das von der Öffentlichkeit rege verfolgte Strafverfahren zog sich über mehrere Instanzen und etliche Jahre.

Explizite Bezugnahme auf den „Gießener Fall“ in der Gesetzesbegründung.

Zwischenzeitlich wurde die restriktive Vorschrift mit Wirkung zum 19.07.2022 gestrichen. Im Zuge dieser Gesetzesänderung wurden auch alle strafgericht­lichen Urteile – so auch der Fall der Ärztin aus Gießen – die auf § 219a StGB (a. F.) beruhen, auf­gehoben. Eine solche sog. Generalkassation von Strafurteilen kommt äußerst selten vor und ist ein Beleg dafür, wie wichtig es dem deutschen Gesetzgeber war, die umstrittene Vorschrift samt aller Folgen aus der Welt zu schaffen.

In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 20/1635 vom 02.05.2022) zur Streichung des § 219a StGB (a. F.) wird auch ausdrücklich auf den „Gießener Fall“ Bezug genommen und erläutert, dass die Bereitstellung von Informationen von Schwangerschaftsabbrüchen durchführender Ärzte für Frauen eine wichtige Entscheidungshilfe darstellt. Diese Informationen sind für betroffene Frauen auch außerhalb eines persönlichen Beratungsgesprächs mit einem Arzt wichtig.

Ärzte sollen nicht befürchten müssen, sich strafrechtlichen Sanktionen auszusetzen, wenn sie Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen veröffentlichen. Nur eine entsprechend vorinformierte Schwangere kann das ihr zustehende Recht auf freie Arztwahl ausüben. Durch die Streichung des § 219a StGB (a. F.) besteht nun die Möglichkeit, in legaler Weise Informationen zum Schwangerschaftsabbruch zur Verfügung zu stellen, beispielsweise einfach und direkt auf den Internetseiten von Kliniken, MVZ oder niedergelassenen Ärzten. Dieser einfache und schnelle Zugang zu Informationen ist für Schwangere auch deshalb wertvoll, da die Regelungen zu straflosen Schwangerschaftsabbrüchen Fristen ­vorsehen.

Womit darf nun geworben werden und was ist weiterhin verboten?

Die Befürchtung einiger Befürworter des § 219a StGB (a. F.), durch eine Aufhebung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche würde es zu einer unsachlichen Beeinflussung schwangerer Frauen und zur Kommerzialisierung von Schwangerschaftsabbrüchen kommen, ist unbegründet.

Die deutsche Rechtsordnung hält weitere Gesetze bereit, die einer unsachgemäßen und anpreisenden Werbung im Gesundheitswesen entgegenwirken. Zu nennen ist hier insbesondere das Heilmittelwerbegesetz (HWG). Dieses dient unter anderem dazu, Patienten vor irreführender Werbung zu schützen. Patienten sollen nicht durch aggressive Werbemaßnahmen dazu gebracht werden, medizinische Eingriffe vornehmen zu lassen.

Allerdings fiel bislang Werbung für nicht medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbrüche nicht unter das HWG, da einem solchen Schwangerschaftsabbruch der Krankheitsbezug fehlt und er nicht als ein Verfahren oder eine Behandlung anzusehen ist, das „auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden beim Menschen“ abzielt. Daher erweiterte der Gesetzgeber im selben Atemzug mit der Abschaffung des § 219a StGB (a. F.) den Anwendungsbereich des HWG ausdrücklich um alle Arten von Schwangerschaftsabbrüchen.

Somit ist es auch nach Abschaffung des § 219a StGB (a. F.) Ärzten (und auch allen anderen Personen) nicht möglich, uneingeschränkt für Schwangerschaftsabbrüche zu werben. Sie unterliegen vielmehr den auch für alle anderen medizinischen Eingriffe (von der medizinisch indizierten Herz-OP bis hin zur Schönheitsoperation) geltenden heilmittelwerberechtlichen Vorgaben, so beispielsweise dem Irreführungsverbot gem. § 3 HWG. Demnach ist auch verboten, unwahre Angaben zu Schwangerschaftsabbrüchen zu verbreiten.

Die heilmittelwerberechtlichen Vorgaben werden auch in Zukunft weiter bestehen.

Ein Verstoß gegen diese Vorgaben steht sogar unter Strafe, allerdings ist es durchaus ein erheblicher Unterschied, ob Ärzten irreführende Werbung verboten ist oder – so wie es § 219a StGB (a. F.) regelte – nahezu jegliche Art von Information. Ärzte müssen gem. § 11 HWG unter anderem auch darauf achten, dass zwar beispielsweise Patientenberichte wiedergegeben werden dürfen, dies allerdings nicht in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise.

Außerdem wurde § 12 HWG dahin geändert, dass nun auch für medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbrüche geworben werden darf. Dies stellt eine weitere Erleichterung für betroffene Frauen dar, sich umfassend informieren zu können. Somit besteht nun die Möglichkeit der Information über medizinisch indizierte und medizinisch nicht indizierte Schwangerschaftsabbrüche, sofern die allgemeinen Vorgaben des HWG eingehalten werden. Neben den für Ärzte und „jedermann“ geltenden Vorschriften des HWG existieren zudem für Ärzte auch berufsrechtliche Vorgaben. So ist Ärzten nach § 27 Abs. 3 der Musterberufsordnung für Ärzte berufswidrige Werbung untersagt, die beispielsweise anpreisend, irreführend oder vergleichend ist, was ebenfalls einem missbräuchlichen und unsachgemäß beeinflussenden Werbeverhalten durch Ärzte entgegenwirkt.

Fazit

Die Aufhebung des § 219a StGB (a. F.) war ein überfälliger und notwendiger Schritt, um einerseits betroffenen Frauen eine umfassende und professionelle Informationsgrundlage zu ermöglichen, damit diese selbstbestimmte und aufgeklärte Entscheidungen treffen können. Andererseits wurde dadurch der Ärzteschaft im Einklang mit deren Berufsfreiheit die Möglichkeit eröffnet, legal über die bei Schwangerschaftsabbrüchen angebotenen Methoden zu informieren. Ärzten unter Strafandrohung zu verbieten, potenzielle Patienten sachlich darüber zu informieren, welche medizinischen Leistungen man anbietet, erscheint mehr als eigenartig. Und dass Ärzte nun unkontrolliert in einem rechtsfreien Raum für Schwangerschaftsabbrüche werben dürfen, muss auch niemand befürchten. Die weiterhin geltenden und im Gesundheitswesen durchaus als streng anzusehenden gesetzlichen Regelungen halten angemessene und ausreichende Schutzmechanismen vor missbräuchlicher Werbung bereit.

Der Autor

Dr. jur. Christian Bichler
Rechtsanwalt und Wirtschaftsmediator
Fachanwalt für Medizinrecht
85609 Aschheim

cb@jurmed.de

Bildnachweis: privat

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