Die differenzierte Betrachtung des Biomarkers HER2 jenseits von positiv oder negativ eröffnet neue Chancen: Ca. 60 % der Patientinnen, die bisher als HER2-negativ eingestuft wurden, weisen eine HER2-low Expression auf und können heute vom Einsatz einer hoch wirksamen gegen HER2 gerichteten Therapie, wie T-DXd, profitieren [1].
Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC, antibody-drug-conjugate) sind eine innovative Wirkstoffklasse in der Behandlung vieler Krebsarten, auch für das Mammakarzinom. Sie verbinden die Spezifität von Antikörpern mit der Wirkung von Chemotherapien [2]. T-DXd steht seit wenigen Jahren zur Behandlung des fortgeschrittenen, vorbehandelten HER2-positiven sowie als erste zielgerichtete Therapie für das HER2-low metastasierte Mammakarzinom (mBC) zur Verfügung [3].*
Überlegene Wirksamkeit bei HER2-low Tumoren
Die DESTINY-Breast04-Studie ist die erste Phase-III-Studie, die einen Vorteil einer gegen HER2 gerichteten Therapie bei Patientinnen mit HER2-low Mammakarzinom zeigen konnte [4]. In der zulassungsrelevanten Studie wurden Patientinnen mit fortgeschrittenem oder metastasiertem, vorbehandeltem HER2-low Mammakarzinom und positivem oder negativem Hormonrezeptor-Status eingeschlossen.
Höchste AGO-Empfehlung (++) bei HR+/HER2-low mBC und Empfehlung (+) bei HR-/HER2-low (mTNBC) Tumoren [6].
Es konnte ein statistisch signifikanter und klinisch bedeutsamer Vorteil in Bezug auf das mediane progressionsfreie Überleben (mPFS) sowie mediane Gesamtüberleben (mOS) im Vergleich zur Standardbehandlung bei einem handhabbaren Nebenwirkungsprofil und Erhalt der Lebensqualität trotz längerer Behandlungsdauer gezeigt werden (siehe Abb. 1) [1]. Auch im 32-monatigen Follow-up (Datenschnitt 01.03.2023) konnte die anhaltende klinisch bedeutsame Verbesserung unter T-DXd im Vergleich zur Chemotherapie nach Behandlerwahl und unabhängig vom HR-Status bei einer längeren Behandlungsdauer bestätigt werden [5].
T-DXd erreichte in der Studie bei der ITT-Population im Vergleich zur TPC einen signifikanten Überlebensvorteil (mOS; Daten-Follow-up: 22,9 Monate vs. 16,8 Monate; HR 0,69; 95%-KI 0,55–0,86). Das mediane progressionsfreie Überleben hat sich im Vergleich zur TPC verdoppelt und erzielte somit einen signifikanten Unterschied (Daten-Follow-up: 8,8 Monate vs. 4,2 Monate; HR 0,36; 95%-KI 0,29–0,45). Die Zunahme der Toxizität war klinisch tolerabel. Bei längerer Behandlungsdauer waren die meisten Nebenwirkungen ähnlich wie in der Primäranalyse mild bis moderat (Grad ≤ 2) und der Anteil an ILD-Fällen ist gleich geblieben [5].
Differenzierte Betrachtung des HER2-Status wegweisend für die Therapieauswahl
Bei ca. 50 % aller Brustkrebspatientinnen ist der Tumor HER2-low. Sowohl bei HR+ mBC als auch bei HR- mBC (mTNBC) kann er HER2-low sein (HR+ ca. 65 %; HR- ca. 35 %) [6]. Die Klassifizierung des HER2-Status beruht auf den Ergebnissen der Immunhistochemie (IHC) in Kombination mit dem Nachweis einer Genamplifikation durch In-situ-Hybridisierung (ISH). Bisher wurde aufgrund der klinischen Relevanz ausschließlich zwischen HER2-negativ (IHC 0, IHC 1+ oder IHC 2+/ISH-) und HER2-positiv (IHC 2+/ISH+ oder IHC 3+) unterschieden. Infolge der guten Wirksamkeit von T-DXd bei Patientinnen, deren Tumoren ein HER2-Score von IHC 1+ oder IHC 2+/ISH- aufweisen, wurde hierfür die neue Klassifizierung HER2-low etabliert [7–9].
Auch in den Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e. V. (AGO) wird diese Interpretation mit (++) empfohlen (Abb. 2) [7].
Die neue Klassifizierung HER2-low wird auch in den AGO-Leitlinien empfohlen.
Aufgrund der hohen Bedeutung für die Therapieentscheidung empfiehlt die AGO bei IHC 0 und therapeutischer Implikation eine erneute Testung, um ein falsch-negatives Laborergebnis auszuschließen [6]. Eine einmalige positive Testung auf HER2-low ist ausreichend, um für eine HER2-gerichtete Therapie infrage zu kommen. Da sich der HER2-Status eines Mammakarzinoms im Krankheitsverlauf ändern kann, z. B. nach einer neoadjuvanten Therapie oder im Falle einer Rekurrenz, kann es sinnvoll sein, den HER2-Status zu reevaluieren [10,11].
Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat T-DXd besteht aus dem monoklonalen, gegen HER2 gerichteten Antikörper mit der gleichen Antikörper-Sequenz wie Trastuzumab, der über einen stabilen, spaltbaren Linker (Wirkstoff-Antikörper-Verhältnis von ca. 8 : 1) auf Tetrapeptidbasis mit dem Topoisomerase-I-Inhibitor DXd, einem Exatecan-Derivat, verbunden ist [2, 12-14]. Der Antikörper des ADC bindet zuerst selektiv an HER2 auf der Oberfläche von Tumorzellen. Durch die Internalisierung des T-DXd-Rezeptorkomplexes gelangt das zytotoxische Payload DXd gezielt in die Zelle. Es folgt die enzymatische Spaltung des Linkers im Lysosom und die Freisetzung von DXd. Dieser hemmt die Topoisomerase-I im Zellkern, die DNA-Synthese wird beeinträchtigt. Infolgedessen wird die Teilung der Zelle gehemmt und die Apoptose der Zelle eingeleitet [3]. Aufgrund seiner Membranpermeabilität kann DXd in direkt benachbarte Zellen des Tumormilieus diffundieren und diese ebenfalls abtöten, unabhängig von ihrer HER2-Expression (Bystander-Effekt) [2,14,15].
Die klinisch nachgewiesene Wirksamkeit von Trastuzumab deruxtecan (T-DXd, Enhertu®) bei Patientinnen mit fortgeschrittenem oder metastasiertem, vorbehandeltem Mammakarzinom und einer HER2-low Expression (niedrige HER2-Expression) führte zu einem Paradigmenwechsel in der Definition des HER2-Status [1]. Ob und wie hoch die Amplifikation des Gens und/oder die Expression des Rezeptors auf den Tumorzellen ist, prognostiziert einerseits den Verlauf der Erkrankung und die Aggressivität des Tumors, andererseits wie wirksam eine bestimmte Therapieoption ist.
Basis für den Einsatz von T-DXd beim fortgeschrittenen oder metastasierten Mammakarzinom* ist die differenzierte Bestimmung des HER2-Status. Dieser wird anhand der Tumorgewebeprobe über die immunhistochemische Färbung und bei einem fraglichen Ergebnis über die weitere Eingrenzung durch die In-situ-Hybridisierung ermittelt. Durch die differenziertere HER2-Einteilung und der Zulassungserweiterung von T-DXd haben sich die Therapieoptionen für Patientinnen mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Mammakarzinom und HER2-low Expression erweitert [3].
* Trastuzumab deruxtecan ist zugelassen für die Behandlung von erwachsenen Patientinnen mit inoperablem und/oder metastasiertem HER2-low Mammakarzinom, die bereits eine Chemotherapie im metastasierten Setting erhalten haben oder bei denen während oder innerhalb von 6 Monaten nach Beendigung der adjuvanten Chemotherapie ein Rezidiv aufgetreten ist [3].
Trastuzumab deruxtecan ist zugelassen für die Behandlung von erwachsenen Patientinnen mit inoperablem oder metastasiertem HER2-positivem Mammakarzinom, die bereits mindestens eine gegen HER2-gerichtete Vorbehandlung erhalten haben [3].
Impressum
Bericht: Selinka/Schmitz Health Communications GmbH I Redaktion und Konzept:
Dr. rer. nat. Reinhard Merz I MiM Verlagsgesellschaft mbH (Neu-Isenburg)
Eine Sonderpublikation, beauftragt und finanziert durch Daiichi Sankyo und AstraZeneca.