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Fokus Naturmedizin

Phytotherapie bei Herpes-Infektionen

Evidenz für ätherische Öle, Propolis und Vitamin C

Dr. rer. nat. Christine Reinecke

16.4.2021

Nicht immer sind Virostatika erste Wahl bei Herpes labialis. Eine weitere Option stellen ätherische Öle dar, von denen manche auch bei Aciclovir-resistenten Stämmen wirken. Post-Zoster-Schmerzen sprechen auf Vitamin-C-Infusionen und Enzyme an.

Eine Primärinfektion mit Herpes simplex Typ 1 (HSV-1) im Mundbereich verläuft meist asymptomatisch oder mit einer unspezifischen Gingivitis. Spätere Läsionen an den Lippen sind bereits Zeichen einer rezidivierenden Infektion. Eine solche wird in erster Linie mit Virostatika behandelt, die als Nukleosidanaloga die Synthese der Virus-DNA hemmen. In letzter Zeit wurden jedoch vermehrt resistente Herpesviren isoliert. Damit stehen Therapeutika mit einem anderen Wirkmechanismus im Fokus, die gegen resistente Stämme effektiv sind [1]. Zum Beispiel ätherische Öle. Diese wirken nicht nur antibakteriell und antifungisch, sondern auch gezielt antiviral. Indem sie direkt mit den Viren interagieren, verhindern die Öle das Anheften und Eindringen in die Epithelzellen und das Ausbreiten der Viren von Zelle zu Zelle (Abb.). Ätherische Öle sind komplexe Gemische, die durch Destillation gewonnen werden. Sie bestehen aus einer Vielzahl meist flüchtiger Monoterpene, Sesquiterpene und Phenylpropane. Die Öle werden in verdünnter Form topisch aufgebracht, am besten drei- bis viermal täglich, und können so auch schmerzlindernd und entzündungshemmend wirken. Der antivirale Effekt eines Öles wird mit dem Plaquereduktionstest bestimmt. Solche Plaques bilden sich, wenn virusinfizierte Zellen absterben. Wird die Virusvermehrung jedoch gehemmt, sind deutlich weniger Plaques im Zellrasen zu sehen. Melissenöl beispielsweise reduzierte in einer Konzentration von 0,0004 % eine Infektion mit HSV-1 um 50 %, was der mittleren inhibitorischen Konzentration IC50 entspricht. Höher konzentriertes, 0,002%iges Melissen­öl hemmte die Plaquebildung um 98,8 % [1].

Phytotherapeutika bei Herpes labialis

Melissa officinalis enthält die Inhaltsstoffe Kaffeesäure, Cumarinsäure und Rosmarinsäure. Dass ein wässriger Melissenextrakt gegen Aciclovir-sensitive und -resistente HSV-1-Viren wirkt und dabei wenig toxisch ist, wurde experimentell festgestellt. Interessanterweise hemmte sowohl der Gesamtextrakt als auch der Rosmarin-Einzelextrakt dosisabhängig das Anheften der Viren an die Wirtszellen. Damit zeigte sich, dass die antivirale Aktivität der Melisse größtenteils von Rosmarinsäure bestimmt wird. Das Eindringen in die Zellen wurde bei sensitiven Viren zu 80 % und bei resistenten Viren zu 96 % gehemmt [2]. Bei der Anwendung einer Creme mit Melissentrockenextrakt zeigte sich ein signifikanter Unterschied im Symptomscore, so das Ergebnis einer doppelblinden, placebokontrollierten, randomisierten Studie mit 66 Patienten, die mindestens vier Herpes-Episoden pro Jahr durchmachten. Im Vergleich zur wirkstofffreien Creme konnte mit 1%iger Melissen-Creme (viermal täglich für fünf Tage) ein signifikanter Unterschied beim kombinierten Symptomscore erreicht werden (Beschwerden, Größe der betroffenen Hautstellen und Blasenbildung [Verum 4,03 ± -0,33 (3,0); Placebo 4,94 ± -0,40 (5,0)]. Das zeichnete sich am zweiten Tag ab, an dem die Patienten erfahrungsgemäß am meisten unter den Beschwerden leiden. Außerdem wurde die Heilungsperiode verkürzt, das Ausbreiten der Infektion verhindert und ein rascher Effekt auf die typischen Symptome erzielt (Jucken, Prickeln, Brennen, Schwellung und Erythem) [3]. In einer Screening-Studie wurde ein Extrakt aus Rhabarber und Salbei (jeweils 23 mg/g) gegen Salbeiextrakt und Aciclovir-Creme (50 mg/g) vergleichend, doppelblind und randomisiert getestet. Die durchschnittliche Heilungszeit betrug mit Salbei 7,6 Tage; mit Rhabarber-Salbei-Creme waren es 6,7 Tage und mit Aciclovir-Creme 6,5 Tage. Beim Parameter „Schwellung“ im ersten Follow-up war die Aciclovir-Creme signifikant vorteilhafter als die Salbei-Zubereitung. Beim Parameter „Schmerz“ im zweiten Follow-up erwies sich die Rhabarber-­Salbei-Kombination als signifikant besser als Salbei. Kurz, die Zubereitung aus Rhabarber und Salbei war ebenso wirksam wie Aciclovir und geringfügig wirksamer als Salbei [4]. Schließlich wurde in präklinischen Settings mit Rotem Sonnenhut deutlich, dass Echinacea-Polysaccharide eine antivirale Wirkung auf die Rezidiventwicklung ausüben, wenn sie vor einer Infektion gegeben wurden. Die Polysaccharid-Fraktion regte die Immunantwort an und führte zu einer reduzierten Latenzzeit. Stimuliert wurde vermutlich das Interferon-Gamma, ein Hauptindikator für zelluläre Immunität und Latenz [5]. Auch der Presssaft von Echinacea pallida mit seinen Hauptbestandteilen Ferulasäure und Kaffeesäure zeigte von allen untersuchten Extrakten die höchste antivirale Aktivität gegen HSV-1 und HSV-2, auch in hoher Verdünnung. Echinacea-Presssaft war in jeder Phase der intrazellulären Virusreplikation wirksam und schützte die Zellen auch von außen gegen eine Infektion, vermutlich durch Verhindern der Bindung [6].

Aus dem Bienenstock

Das Kittharz der Honigbiene, Propolis, besteht überwiegend aus harzbildenden Flavonoiden, Kaffeesäureestern und Polyphenolen, dazukommen Wachs und ätherische Öle. Propolis wirkt antimikrobiell, adstringierend und lokalanästhetisch. Zudem zeigten sich Propolis-Extrakte in Suspensionstests hochaktiv gegen HSV-1. Die Auszüge reduzierten die Plaquebildung signifikant um mehr als 98 %. Behandelte man die Viren schon vor dem Infektionszyklus, zeigte sich eine hohe Anti-HSV-1-Aktivität. Propolis-Extrakte mit ihren verschiedenen Komponenten sind damit für die topische Applikation geeignet, so das Fazit [7]. Die Empfehlung: Propolis-Salbe zwei- bis dreimal täglich auftragen. Ein systematisches Review mit sechs Studien zu Propolis und drei Studien zu Honig zeigte für Propolis die beste Evidenz bei der Behandlung von Hautläsionen, die durch HSV-1 verursacht wurden. In vier der sechs Studien war Propolis der Behandlung mit Aciclovir überlegen. Es könnte sich also lohnen, zu untersuchen, ob Propolis als Zusatztherapie zu Aciclovir geeignet wäre, so der Autor. Für Läsionen in der Mundhöhle könnte Honig eine interessante Alternative sein [8]. In vitro zeigte die Kombination aus Propolis und ­Olivenblätterextrakt, alleine oder mit Aciclovir kombi­niert, eine antivirale Wirksamkeit gegenüber HSV-1, ohne zytotoxisch zu wirken. Gemeinsam mit Aciclovir gegeben, könnten die Extrakte möglicherweise Dosis und Nebenwirkungen des Virostatikums reduzieren. Beide Extrakte wirken direkt viruzid und hemmen die Bindung an die Zelle [9]. Bei Herpes-simplex­-Episoden war eine Olivenblattextrakt-Creme der Aciclovir-Creme überlegen. Beide Behandlungen ­waren effektiv und reduzierten die Symptomatik. Wurde der Olivenblattextrakt verwendet, blutete, juckte und schmerzte es am dritten Tag weniger stark, am sechsten Tag kam es zu geringeren ­Irritationen, Jucken und Farbveränderungen im ­Vergleich zu Aciclovir. Zudem war die Therapie ­kürzer [10].

Vitamine bei Post-Zoster-Neuralgie

Die Reaktivierung des Varizella-zoster-Virus aus den sensorischen Ganglien führt zu einer Neuritis. Nach drei bis fünf Tagen zeigt sich ein dermatomaler halbseitiger Hautausschlag mit Gruppen von ­Bläschen. Es dominieren akute Schmerzen und Missempfindungen, aber auch Schmerzen, die ­länger als drei Monate nach dem Abheilen der Hautläsionen bestehen. Solche schmerzhaften Komplikationen werden bei 10–20 % der Patienten beobachtet. Leitliniengerecht wird eine Schmerztherapie empfohlen, doch auch eine Verringerung der Inzidenz sollte angestrebt werden. Wie das mit den Mitteln der Naturheilkunde funktionieren könnte, wurde in Studien deutlich. In einer Metaanalyse aus vier Studien mit 383 Teilnehmern ging der Score der numerischen Ratingskala signifikant zurück, wenn Vitamin B12 supplementiert wurde. Vitamin B12 verbesserte die Lebensqualität von ­Patienten mit Post-Zoster-Neuralgie moderat und verringerte dabei signifikant die Anzahl der Betroffenen, die Analgetika benötigten [11]. Dass die Inzidenz der Post-Zoster-Neuralgie effektiv mit intravenös verabreichtem Vitamin C reduziert werden kann, zeigte eine Studie mit 87 Patienten. Der akute Schmerz wurde nicht gelindert, doch ab der achten Studienwoche war der Schmerzscore (VAS) unter Ascorbinsäure signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe (p < 0,05); ebenso die Inzidenz (p = 0,014). Die Veränderungen im Gesamtscore ­waren signifikant unterschiedlich zwischen den beiden Gruppen (p < 0,05). Behandelt wurde mit Saline-Infusionen (Tag 1, 3 und 5), denen in der Verumgruppe 5 g Ascorbinsäure zugesetzt worden war. Die Schmerzintensität wurde an den ersten fünf Tagen täglich abgefragt und nach Studienende in den ­Wochen 2, 4, 8 und 16 ermittelt [12]. Prognostische Risikofaktoren für die Post-Zoster-Neuralgie sind Alter und Immundysfunktion. Dass auch eine Assoziation zwischen Schmerz und suboptimalem Vitamin-C-Status besteht, darauf deuten epidemiologische und klinische Studien hin. Aktuell wird Vitamin C begleitend in der Behandlung von zosterassoziierten Schmerzen eingesetzt. Wie in Case Reports und klinischen Studien beschrieben, zeigte Vitamin C eine deutliche Linderung der akuten und postherpetischen Neuralgie. Auch in zwei Fallberichten wurde eine Vitamin-C-Infusion eingesetzt, nachdem eine Nervenblockade nicht möglich war. Es kam zu einer sofortigen Remission des Durchbruchschmerzes bei einem 72-jährigen Patienten, der zuvor eine antivirale Therapie erhalten hatte. Bei einer 78-jährigen Patientin bildeten sich die Hautläsionen an Stirn und Augenlid schnell zurück. So empfehlen die Autoren, bei therapieresistenten Fällen, begleitend Vitamin C intravenös zu geben [13]. Bei segmentalen Schmerzen sind Peptidasen hilfreich, das zeigte eine kontrollierte Studie mit 192 Patienten. Darin waren Papain, Chymotrypsin und Trypsin ebenso wirksam wie Aciclovir. Nach sieben bzw. vierzehn Tagen zeigte sich kein signifikanter Unterschied beim primären Endpunkt „segmentaler Schmerz“. Das war auch bei allen anderen Endpunkten nach 14 Tagen der Fall. Nur beim sekundären Endpunkt „segmentale Rötung“ schnitt Aciclovir besser ab. Am Ende der Studie unterschieden sich die untersuchten Hautläsionen nicht signifikant, sodass der Enzym-Zubereitung eine identische Wirksamkeit mit Aciclovir bescheinigt wurde [14].

DAS EXPERTENSTATEMENT

Prof. Dr. med. Karsten Münstedt
Chefarzt der Frauenklinik
Ortenau Klinikum Offenburg-Kehl

karsten.muenstedt@ortenau-klinikum.de

 

Propolis bei Herpesviren

Es sind acht Herpesviren bekannt, die die menschliche Gesundheit beeinträchtigen: Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1; orale Herpesläsionen), Herpes-simplex-Virus Typ 2 (HSV-2; genitale Herpesläsionen), Varizella-zoster-Virus (VZV; Windpocken, Gürtelrose), Epstein-Barr-Virus (EBV; infektiöse Mononukleose), Cytomegalievirus (CMV; CMV-Mononukleose), menschliches Herpesvirus 6 (HHV-6; Roseola, Mononukleose-Syndrom), menschliches Herpesvirus 7 (HHV-7; keine menschliche Krankheit definitiv verbunden) und humanes Herpesvirus 8 (HHV-8; vermuteter Zusammenhang mit Kaposi-Sarkom). Die Herpes-simplex-Viren 1 und 2 sowie das Varizella-zoster-Virus haben die größte klinische Bedeutung.

Wenngleich die Ergebnisse klinischer Studien die Sinnhaftigkeit der Anwendung von Melissa officinalis, Teebaumöl, topischem Zink, Salbei-Rhabarber-Salbe und Vitamin C nahelegen, fehlt es doch an der nötigen Evidenz. Im Hinblick auf Propolis zeigt eine Analyse der aktuellen Literatur sechs randomisierte Studien, die sich mit der Thematik beschäftigt haben (Tab.). Danach ist Propolis einem Placebo und dem Standardmedikament Aciclovir bei HSV-1-, HSV-2- und Herpes-zoster-Viren(HZV)-Infektionen in Bezug auf heilungs- und schmerzbedingte Faktoren überlegen. Wie von Holcová und Hladiková gezeigt, beträgt die optimale Konzentration des Propolis-Extrakts GH 2002 in einer Salbe 0,5 %.  Ein spezieller Propolis-Extrakt aus Bienenstöcken in Kanada wirkt in einer Konzentration von 3 % optimal. Die Tabelle zeigt auch, dass die Studienqualität in der Mehrzahl gut ist (Jadad-Score > 2) und eine Anzahl von mehr als 1 000 Patienten in den Studien eingeschlossen war.

GH 2002 ist Studien zufolge gegen eine Vielzahl von Bakterien wirksam. Seine Bedeutung bekommt er aber aufgrund seiner antiviralen Eigenschaften. Eine standardisierte Propolis-Salbe erreicht eine hohe pharmazeutische Qualität. Dennoch bleiben zahlreiche Punkte offen, die in zukünftige Forschungen aufgegriffen werden sollten:
• Da nur eine Studie die Wirksamkeit von Propolis gegen Herpes genitalis analysierte, sind hier bestätigende Studien erforderlich.
• In nur einer klinischen Studie zu HZV wurde der Wert von Propolis als Ergänzung zur Behandlung mit Aciclovir bei HZV bewertet. Unbeantwortet bleibt, ob die Kombination von Aciclovir und Propolis auch bei Infektionen mit HSV-1 und HSV-2 wirksamer ist. Darüber hinaus sind weitere Nachweise für die Verwendung von Propolis gegen HZV erforderlich.
• Wie wirkt Propolis allein oder in Kombination mit einer Low-Level-Lasertherapie oder Honig?
• Schließlich muss die Identifizierung der wirksamen Komponenten von Propolis hinsichtlich der Wirksamkeit gegen Herpesviren als wichtige Aufgabe betrachtet werden. Alle in dieser Übersicht vorgestellten Studien basieren auf dem kommerziell hergestellten kanadischen Extrakt mit 3 % Propolis sowie GH 2002. Die Identifikation der relevanten Komponenten von Propolis und deren noch gezieltere Extraktion könnten die möglichen Probleme im Zusammenhang mit der relativ häufigen Propolis-Allergie verringern.

Schlussfolgerungen: Vor dem Hintergrund, dass einige qualitativ hochwertige Studien mit insgesamt weit mehr als 1 000 Patienten zu dem Schluss kommen, dass Propolis-Extrakte dem Standardmedikament Aciclovir überlegen sind, lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass Propolis eine echte Alternative zur Therapie mit Aciclovir darstellt, auch da der pharmazeutische Hintergrund zufriedenstellend erforscht wurde.

1 Schnitzler P, Reichling J, HNO 2011; 59: 1176–1184
2 Astani A et al., Phytother Res 2014; 28: 1547–1552
3 Koytchev R et al., Phytomedicine 1999; 6: 225–230
4 Saller R et al., Forsch Komplementarmed Klass Naturheilkd 2001; 8: 373–382
5 Ghaemi A et al., Intervirology 2009; 52: 29–34
6 Schneider S et al., Planta Med 2010; 76: 265–272
7 Schnitzler P et al., Phytother Res 2010; 24(S1): S20-8
8 Münstedt K, Complement Ther Med 2019; 43: 81–84
9 Altindis M, Mikrobiyol Bull 2020; 54: 79–94
10 Toulabi T et al., Explore (NY) 2021;  doi: 10.1016/j.explore.2021.01.003
11 Wang JY et al., Complement Ther Med 2018; 41: 277–282
12 Kim MS et al., Ann Dermatol 2016; 28: 677–683
13 Liu Y et al., Pain Res Manag 2020; doi: 10.1155/2020/8857287
14 Billigmann P, Fortschr Med 1995; 113: 43–48

Bildnachweis: privat

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