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Fokus Naturmedizin

Gelenkbeschwerden

Phytopharmaka sinnvoll als Add-On

Dr. phil. nat. Miriam Neuenfeldt

8.1.2021

Etwa 60–70 % der Patienten mit Arthrosebeschwerden und Rückenschmerzen nutzen die Phytotherapie. In Kombination mit chemisch-synthetischen Analgetika bzw. Antirheumatika können pflanzliche Heilmittel zur Dosisreduktion und somit zur besseren Verträglichkeit von Arzneimitteln beitragen.[1]

Heilpflanzen wie Teufelskralle, Weide oder Hagebutte wirken analgetisch und antiinflammatorisch. Ihre vielfältigen Inhaltsstoffe setzen an verschiedenen Enzymen der Entzündungskaskaden an und hemmen im Arachidonsäurekaskadeweg die Synthese pro­inflammatorischer Prostaglandine und Leukotriene. Über Hemmung der Prostaglandinsynthese kommt es zu einer Blockierung der Schmerzweiterleitung. Zudem reduzieren diese Phytotherapeutika die Freisetzung entzündlich wirkender Zytokine wie Interleukin-1βoder Tumornekrosefaktor-α und hemmen die Aktivität knorpelschädigender Enzyme. Zusätzlich können ausgewählte Heilpflanzen die Gelenkbeweglichkeit steigern.[1]

Teufelskralle

Die Wurzel der Pflanze aus der afrikanischen Savanne kann bei Arthrose, chronischer Polyarthritis (RA) und durch Spondylosen bedingten Kreuzschmerzen angewendet werden. Die Teufelskralle enthält u. a. Iridoidglykosid-Bitterstoffe, wie das Harpagosid, Harpagid und Procumbid. Extrakte aus ihrer Wurzel sind standardisiert auf Harpagosid. Die Teufelskrallenwurzel wirkt analgetisch und entzündungshemmend über die Hemmung der Cyclooxygenase-2 (COX-2) und 5-Lipoxygenase (5-LO). Dies führt zur Reduktion von Prostaglandinen und Leukotrienen. Darüber hinaus hemmt die Heilpflanze Matrix-Metalloproteinasen sowie andere knorpelzerstörende Enzyme und hat chondroprotektive Effekte. In der Therapie der ­Arthrose zeigen randomisiert kontrollierte Studien mit 50–60 mg Harpagosid täglich nach zwei bis vier ­Monaten eine Verbesserung hinsichtlich Schmerz, ­Bewegungseinschränkung und Reibegeräuschen.[1,2]

Weide

Weidenrinde kann bei Arthrose, rheumatischen ­Beschwerden und zur kurzzeitigen Behandlung von Rückenschmerzen eingesetzt werden. Die Heilpflanze enthält u. a. Salicylate, oligomere Proanthocyanidine (OPC), Flavonoide sowie Kaffeesäurederivate. Neben antioxidativen, antiinflammatorischen und analge­tischen Effekten weist die Weidenrinde auch eine Hemmung der Hyaluronidase auf, die vor allem bei Rheumatismus pathologisch überwiegt. In höherer Dosierung kann mit Weidenrinde ein analgetischer Effekt erreicht werden, der mit COX-2-Hemmern vergleichbar ist. Über die Hemmung der COX reduziert Weidenrinde die Freisetzung der proinflammato­rischen Prostaglandine E1 und E2. Extrakte sind auf den Gehalt an Gesamtsalicin standardisiert. Im Gegensatz zu Acetylsalicylsäure (ASS) hat Weidenrinde keinen Einfluss auf die Thromboxansynthese und Blutgerinnung. Zudem sind Weidenrinden-Salicylate im sauren Magensaft stabil und schädigen nicht die Magenschleimhaut. Daher sind keine ­ASS-typischen Nebenwirkungen wie Mikroblutungen im Gastrointestinaltrakt zu erwarten.1

Kurkuma und Weihrauch

Zu den intensiv untersuchten antiinflammatorischen Substanzen gehört auch das Curcumin aus dem ­Kurkumarhizom. Das gelbe Polyphenol wirkt antioxidativ und antiphlogistisch über Hemmung der COX-2 und 5-LO. Studien zu Kurkumazubereitungen bei Arthrose zeigen eine reduzierte Bildung radikaler Sauerstoffverbindungen und folglich eine verringerte Zerstörung von Gelenkgewebe. Zudem wird die ­Expression von Metalloproteinasen gehemmt. In der Folge verlangsamt sich die Krankheitsprogression.[3] Eine Metaanalyse mit acht Studien zu Kurkuma­extrakt über zwei bis vier Monate zeigt eine Verringerung von Gelenkbeschwerden und der entzündungsspezifischen Symptome, die mit Ibuprofen bzw. Diclofenac vergleichbar ist – bei deutlich weniger Nebenwirkungen.[4] Auch in Kombination mit Weihrauch erwies sich Kurkuma bei Arthrosepatienten wirksamer als der selektive COX-2-Hemmer Celecoxib und als gut verträglich.[5] Weihrauch ist reich an Boswelliasäuren und hemmt Entzündungsmediatoren wie TNF-α, IL-1β, IL-6 und PGE2. In der Therapie der RA führt Weihrauch zu ­weniger Gelenkschwellungen und Schmerzen, verbessert die Gelenksflexibilität und trägt zur Reduktion der NSAR-Einnahme bei.[3]

Hagebutte

Aufbereitete Früchte der Hagebutte werden bei ­Arthrose und RA angewendet. Sie enthalten Galaktolipide, Triterpensäuren, Polyphenole, ungesättigte ­Fettsäuren, Vitamin C und Spurenelemente. Die ­Gala­ktolipide wirken membranstabilisierend und ­hemmen zudem die Lipidoxidation sowie die Leuko­zyteneinwanderung in das Entzündungs­geschehen, ohne eine toxische Wirkung auf die Leukozyten zu ­haben. Die antioxidativ und antiinflammatorisch ­wirkenden Inhaltsstoffe der Hagebutte sind hitzelabil – bereits ab Temperaturen über 40  °C werden sie zerstört, ­sodass in Hagebuttentee oder Marmelade nur noch geringe Mengen an Galaktolipiden enthalten sind. Hagebuttenpulver kann die Gelenkbeweglichkeit und Morgensteifigkeit bei Arthrose ­verbessern. Es dauert allerdings mehrere Monate, bis die Wirkung eintritt.

In einer norwegischen Studie wurden 100 Patienten mit Arthrose an Hüfte oder Knie über vier Monate täglich 2,5 g Hagebuttenpulver oder ein Placebo ­verabreicht. Knapp 65 % der Patienten aus dem ­Hagebutten-Arm erreichten eine signifikante Schmerz­reduktion, die von leichtem Rückgang bis zu fast völliger Schmerzfreiheit variierte. Zudem wurde ein weit über die Studiendauer hinausreichender Langzeiteffekt von Hagebutte beobachtet. In einer dänischen Studie wurden 112 Patienten mit Arthrose an Hüfte, Knie, Nacken oder Handgelenk über drei Monate lang täglich 5 g Hagebuttenpulver oder ein Placebo verabreicht. Das Phytotherapeutikum reduzierte Schmerzen und Schmerzmittelverbrauch und führte zu einer verbesserten Beweglichkeit.

Brennnessel, Ingwer & Co

Viele weitere Phytotherapeutika bewährten sich bei ­Gelenkbeschwerden: So können Brennnesselblätter ­adjuvant bei Arthrose und leichten rheumatischen ­Beschwerden sowohl innerlich als auch äußerlich angewendet werden. Auch das Flavonoid Resveratrol aus der Schale roter Weintrauben oder aus Knöterich­gewächsen zeigt Potenzial in der Therapie von ­Arthrose und RA. Es reduziert proinflammatorische und ab­bauende Faktoren und hat gelenkschützende Effekte.[6] In der ayurvedischen Medizin kommen Ingwer und Galgant bei Gelenkbeschwerden zur Anwendung.[1] Ein Kombinationsarzneimittel aus Zitterpappelrinde und -blättern, Echtem Goldrutenkraut sowie Eschenrinde weist ebenfalls analgetische und entzündungshemmende Effekte auf. Mehrere Studien zeigen Wirksamkeit bei leichten bis mittelschweren rheumatischen und degenerativen Gelenkerkrankungen. Die Effekte sind vergleichbar mit Diclofenac. Der Wirkungseintritt erfolgt jedoch verzögert. Da das Phyto­therapeutikum gut verträglich ist, kann es zur Langzeitbehandlung von Gelenkbeschwerden eingesetzt werden.[7]

Topische und/oder innere Anwendung

Empfehlenswert in der Therapie von Gelenk­beschwerden ist die Kombination von innerer und ­äußerer ­Anwendung. Bei entzündlich aktivierter ­Arthrose sollten keine wärmenden Zubereitungen äußerlich angewendet werden. Zur Muskelentspannung und Schmerzlinderung eignen sich Heilpflanzen mit analgetischen, entzündungshemmenden und durch­blutungsfördernden Eigenschaften. ­Ätherische Öle wie Campher, Eukalyptus-, Fichtennadel-, Kiefern­nadel-, Minz- oder Rosmarinöl ­wirken in höheren ­Konzentrationen durch Reizung der Haut durch­blutungsfördernd (Hyper­ämikum) und über kutiviszerale Effekte, d. h. mit Wirkung von der Haut ins Körperinnere, schmerzlindernd. Sie werden für Umschläge, Einreibungen, Bäder oder für Salbenzubereitungen verwendet.[1]

Arnika

Arnikablüten dürfen nur äußerlich bei Muskel- und Gelenkschmerzen angewendet werden. Sie hemmen die Freisetzung von Entzündungsmediatoren und redu­zieren die Aktivität knorpelabbauender Enzyme. Sie können als Tinktur – in drei- bis zehnfacher Verdünnung für Umschläge – oder als Salben­zubereitung genutzt werden. Arnikablütenzubereitungen dürfen nicht auf vorgeschädigter Haut aufgetragen werden.[1]

Beinwell

Beinwellwurzel bzw. -kraut werden typischerweise äußerlich bei Prellungen, Zerrungen und Verstauchungen angewendet. Die Erfahrungsheilkunde ­berichtet auch über Erfolge bei rheumatischen ­Gelenkbeschwerden, Arthrose, Rückenschmerzen, Sehnen­scheiden- und Schleimbeutelentzündungen. Zubereitungen aus Beinwell wirken entzündungshemmend, lokal reizlindernd und fördern die ­Wundheilung sowie die Abheilung von Hämatomen. Äußerlich angewendet als Umschlag oder Salben­zubereitung ist der Effekt des Beinwells vergleichbar mit dem Diclofenac (Abb.).[8] Auch bei äußerlich ­anzuwendenden Beinwellpräparaten ist darauf zu achten, dass in der Herstellung hepatotoxische ­Pyrrolizidinalkaloide eliminiert wurden.[1]

Cayennepfefferfrüchte

Zubereitungen aus Cayennepfeffer können bei rheumatischen Erkrankungen oder Arthrose topisch angewendet werden. Seine Früchte enthalten reichlich Capsaicinoide wie das Capsaicin. Dieses kann lokal analgetisch wirken, denn nach mehrmaliger Anwendung führt es zur Desensibilisierung gegenüber Schmerzreizen. Für diesen antinozizeptiven Effekt ist allerdings eine ­Anwendung in niedriger Konzentration über drei bis vier Wochen hindurch erforderlich.[9] Darüber hinaus wirken die Cayennepfefferfrüchte entzündungshemmend. ­Capsaicin ist in Salben oder (Wärme-)Pflastern enthalten.[1] Topisches Capsaicin kann gemäß American College of Rheumatology bei Patienten mit Kniearthrose, nicht jedoch bei Arthrose in den Handgelenken angewendet werden, da das Risiko besteht, den reizenden Pflanzeninhaltsstoff ins Auge zu bekommen.[10]

Weitere topische Phytotherapeutika

Johanniskraut kann als ölige Zubereitung (Rotöl) bei entzündlichen Gelenkveränderungen wie Hallux valgus als Mullauflage oder Einreibung angewendet werden. Während der Behandlung sollten vor allem hellhäutige Personen intensive UV-Bestrahlung meiden.[1] Außerhalb von akut-entzündlichen Schüben kann auch die lokale Wärmetherapie zur Anwendung kommen, sofern sie vom Patienten vertragen wird. Dazu werden ätherische Öle, Heublumen und Weiße Senfsamen in Form von Kompressen, Umschlägen und Rheumabädern eingesetzt.

„Mit Ausnahme von akuten Krankheitsbildern wie einer Gelenksinfektion oder Meniskus-Einklemmung ziehe ich zur Behandlung von Gelenkbeschwerden immer Phytotherapeutika in Betracht. Patienten sollten offen sein für die Nutzung pflanzlicher Mittel, da ihre Vorstellungen in den Behandlungsplan einbezogen werden.

Besonders gute Erfahrungen bei der internen Anwendung habe ich mit Präparaten aus dem Bärlauch/Knoblauch-Extrakt MSM, aus Teufelskralle, Weidenrinde und Kurkuma gemacht. Weiterhin finde ich die Einnahme von Hage­buttenpulver sehr hilfreich, z. B. eingerührt in Joghurt. Zur externen Behandlung in Form von Salben setze ich in meiner Praxis Beinwell und Arnika mit gutem Erfolg ein.

Bei sachgemäßer Anwendung führt die Phyto­therapie im Gegensatz zu konventionellen Medikamenten i. d. R. kaum zu Nebenwirkungen. Ent­zün­dungen und Schmerzen werden damit oft genauso effektiv gelindert, wie mit konventio­nellen Schmerzmitteln. Für die Phytotherapie spricht zudem eine stärker individualisierte und eine stärker den Bedürfnissen des Patienten angepasste Behandlung.“

Dr. med. Bernhard Dickreiter
Facharzt für Physikalische Therapie und Rehabilitative Medizin
Orthopädische Gelenk-Klinik Gundelfingen

bernhard-dickreiter@gelenk-klinik.de

Fazit:

Aufgrund ihrer Vielfalt an Inhaltsstoffen besitzen Heilpflanzen im Vergleich zu synthetischen Schmerzmitteln ein umfangreiches Wirkungsspektrum. Ein weiterer Vorteil der Phytotherapie ist das geringere Ausmaß an Nebenwirkungen. Daher gewinnen pflanzliche Zubereitungen bei Gelenkbeschwerden zunehmend an Bedeutung und werden hinsichtlich ihrer Wirkweise, Wirksamkeit und Verträglichkeit untersucht.2

Die Autorin

Dr. phil. nat. Miriam Neuenfeldt
Wissenschaftliche
Autorin & Referentin
18439 Stralsund

info@phar-med.de
www.phar-med.de

1 Schmiedel V, Augustin M, Leitfaden Naturheilkunde – Methoden, Konzepte und praktische Anwendung, 7. Auflage, Elsevier Verlag, München 2017, ISBN: 978-3-437-55143-7
2 Dragos D et al., Nutrients 2017; 9(1): 70
3 Neuner-Kritikos A, OM & Ernährung 2018; SH09, Sonderheft Immunologie
4 Daily JW et al., J Med Food 2016; 19(8): 717–729
5 Kizhakkedath R, Mol Med Rep 2013; 8(5): 1542–1548
6 Nguyen CH et al., Nutrients 2017; 9(1): 45
7 Uehleke B et al., Forsch Komplementmed 2011; 18(5): 249–256
8 Staiger C, Wien Med Wochenschr 2013; 163(3–4): 58–64
9 www.medmix.at/capsaicin-bei-rheumatischen-­erkrankungen-topisch-anwenden/?cn-reloaded=1 (Stand: 10/2020)
10 Kolasinski SL et al., Am Coll Rheumatol 2020; 72(2): 149–162

Bildnachweis: privat

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