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Fokus Naturmedizin

Libidoverlust in verschiedenen Lebensphasen

Woher kommt die Lust auf Lust?

Interview mit Saskia Straße von Ridder

In der Sexualität gibt es kein Richtig oder Falsch, kein Schwarz oder Weiß. Aber es gibt gute und lustvolle Beziehungen und es gibt andere. Wir sprechen mit Saskia Straße von Ridder über Werben, Selbstzweifel und über die Wirkung pflanzlicher Aphrodisiaka bei Frauen, die Lust auf Lust haben.

Frau Straße von Ridder, Libidoverlust birgt besonders in langjährigen Bezieh­ungen ein hohes Frust- und Konfliktrisiko. Welche Hürden müssen erst einmal genommen werden, um auf das Thema und die Probleme Ihrer Patientinnen eingehen zu können?

Einen Mangel an sexuellem Verlangen spricht kaum jemand gerne an. Nicht einmal dann, wenn die ­Belastung dadurch sehr hoch ist. Eine Rolle spielt hier sicher auch eine Art „Optimierungszwang“, wie er oft suggeriert wird. Dies gilt allerdings nicht nur bei Frauen. Die Erwartungen beider Geschlechter an sich selbst in Bezug auf die sexuelle Anziehungskraft, Leistungsfähigkeit und Verfügbarkeit haben beinahe schon übermenschliche Dimensionen erreicht.

Klingt nicht nach den besten Voraussetzungen für ein wahrhaft sinnliches Erleben …

Hier möchte ich sogar noch ein bisschen stärker differenzieren. Natürlich geht es beim Thema Sexualität bestenfalls primär um Lust, Glück und Spaß. Klar macht erfüllender Sex auch sehr glücklich. Der Rückschluss ist jedoch nicht, dass, wenn jemand keinen Sex hat, automatisch unglücklich ist. Zum Beispiel lebt nicht jeder Mensch in einer Partnerschaft [...].

Was allerdings tatsächlich oft verkannt wird: Sexualität ist ein „Sensibelchen“, das sehr viel Zuwendung benötigt, um als erfüllend wahrgenommen zu werden. Es geht dabei eben nicht darum, dass Frau und/­oder der Mann einfach nur „performen“. Sexualität, sexuelles Verlangen, Sinnlichkeit und Hingabe haben nichts mit Konzepten zu tun. Sondern vielmehr mit Offenheit, Vertrauen, Intimität und Zeit.

Wie kommt das Thema sexuelle Unlust in der Praxis zur Sprache?

Ich bin keine Sexualtherapeutin und das Thema ist selten das Hauptanliegen. Aber ich arbeite ganzheitlich und befrage meine Patientinnen, die meist aufgrund hormoneller Beschwerden zu mir kommen, sehr umfangreich. Sexuelles Verlangen oder eben „Sex“ gehört zu den menschlichen Grundbedürfnissen. Fehlt dieses Bedürfnis, muss das nicht unbedingt unglücklich machen. Außerdem gibt es immer mal Lebensphasen, in denen wir sexuell ­aktiver sind und solche, in denen wir es nicht sind. Das ist völlig ­normal. Im Gespräch wird sehr schnell klar, wenn die Frau zwar kein Bedürfnis nach Sex hat, trotzdem aber ein glücklicher und zufriedener Mensch ist. Ihr steht der Sinn nur nicht danach. Leidet eine Frau jedoch darunter, weil ihr das Bedürfnis fehlt, gehen wir der Sache behutsam auf den Grund. Wichtig ist, so sensibel wie möglich vorzugehen. Zum Beispiel, indem wir herausfinden, ob ihr Leidensdruck tatsächlich aus ihr selbst oder von außen kommt.

Wie tasten Sie sich vor, um an den Kern des Problems zu gelangen?

Ich versuche zum Beispiel herauszufinden, ob die Frau leidet, weil sie persönlich zwar das Bedürfnis hat, aber keinen Antrieb spürt. Auch frage ich nach, wie häufig sie Sex hat und ob sie ihren Partner/ihre Partnerin noch sexuell attraktiv findet. Wichtig zu wissen ist ebenfalls, ob sie sexuelle Gedanken und Träume hat oder es etwas gibt, das sie „sexy“ findet. Ist sie auf Reize ansprechbar, erregbar – oder leidet primär der Partner/die Partnerin, weil sie selbst keinen Sex möchte? Erhöht sich durch Erwartungen womöglich der Leidensdruck? Ich möchte wissen, warum sie meint, keinen Antrieb oder kein Lustgefühl mehr entwickeln zu können. Ist sie vielleicht dauererschöpft? Oder hat sie das Gefühl, nicht mehr zu gefallen oder mag sie nicht, was er/sie beim Sex macht?

Gibt es im Fall sexueller Unlust eigentlich die „klassische Patientin“?

Nein. Ich erlebe Frauen jeden Alters, die sich an einem Punkt in ihrem Leben mit dem Verlust ihres sexuellen Verlangens konfrontiert sehen und deswegen anfangen, stark an sich selbst zu zweifeln. Am häufigsten taucht das Thema jedoch bei Frauen in den Wechseljahren auf. Hormonelle Veränderungen sind nicht selten am Libidoverlust beteiligt. Aber: Auch wesentlich jüngere Frauen sind betroffen, wenn bei ihnen der Wunsch nach einem Kind groß ist, dieser jedoch unerfüllt bleibt. Die natürliche Bereitschaft und das Lustempfinden leiden teilweise enorm unter dem Druck, zu bestimmten Zeiten Sex haben zu müssen und nur zum Zweck den Kinderwunsch zu erfüllen. Kurz: Lust lässt sich nicht über einen Kamm scheren und hat viele Facetten.

Welche zum Beispiel?

Manche Frau flirtet gerne. Bahnt sich dann aber tatsächlich etwas an, schwindet ihre Lust „auf mehr“. Die Frage ist in dem Fall: Reicht ihr die Aufmerksamkeit und die Bereitschaft des Partners als Bestätigung? Findet sie den Sex vielleicht sogar langweilig und nur das Umwerben spannend? Es ist auch möglich, dass sie Selbstzweifel in Bezug auf ihre Attraktivität empfindet, etwa aufgrund schlechter Erfahrungen und sich deshalb abwendet. Es kann ebenso gut sein, dass ihr die Male, in denen sie sich nach einem Flirt auf Sex eingelassen hat, keinen Spaß gemacht haben oder enttäuschend waren. Lust kann oft einfach nur eine Idee, eine aufregende Emotion sein und muss gar nicht unbedingt körperlich werden.

Stimmt es, dass Libidoverlust sich vor allem im Zusammenleben von Paaren einschleicht, die schon lange zusammen sind?

Ja, denn die Art der Intimität kann sich verändern. Aber: nicht zwangsläufig zum Negativen. Wir müssen hier ebenfalls differenzieren, weil Lustempfinden immer auch persönlichen Entwicklungen unterliegt. Sex ist in langen Beziehungen natürlich nicht vergleichbar mit dem Sex, den man frisch verliebt mit Anfang 20 hatte. Damals war der Sex meist weitaus unkomplizierter und selbstverständlicher. Mit den Jahren entwickelt sich das eigene oder auch gemeinsame Lustempfinden durchaus zu etwas Tiefe(re)m. Und damit zu etwas, das vielleicht mehr Zeit und eine Menge mehr Verständnis braucht. Doch genau an diesen Punkten stoßen Paare irgendwann an Grenzen.

Laut einer neuen Studie ist das Interesse an pflanzlichen Aphrodisiaka groß. Erleben Sie das auch in der Praxis?

Ja. Doch zunächst einmal für ein besseres Verständnis: Wir Frauen sind aufgrund unseres hochkomplizierten Hormonsystems „zyklische Wesen“. Und Sex hat nun mal viel mit Hormonen zu tun. Eng verknüpft ist diese Thematik auch mit der Fruchtbarkeit, denn alles, was die Lust steigert, macht häufig auch fruchtbarer. Glücklicherweise betrachten wir mittlerweile in einer aufgeklärten, modernen Welt die Lust der Frau losgelöst vom Zweck der Fruchtbarkeit, aber natürlich lässt sich ein ­gewisser biologischer Zusammenhang nicht übersehen. Ganz eindeutig schwindet aber auch ein sexuelles Bedürfnis nicht, nur weil man keine ­Kinder mehr bekommen kann. Ein wunderbares pflanz­liches Aphrodisiakum ist beispielsweise Damiana für Frauen, die durchaus Lust auf Lust haben, aber sehr erschöpft sind. Ein auffallend häufiger Grund eines Libidoverlusts. Hat man allerdings seit 30 Jahren jemanden neben sich liegen, den /die man eh nicht mehr so anziehend findet, ist dagegen ­leider auch kein Kraut gewachsen.

Was ist das Geheimnis pflanzlicher Aphro­­disiaka?

Die aus bestimmten Pflanzen gewonnenen und in gewisser Weise lustfördernden Stoffe sind nicht vergleichbar mit synthetischen Mitteln. Dessen muss man sich bei der Wahl pflanzlicher Unterstützung bewusst sein. Es gibt Menschen, die nehmen mal zwei Tabletten und denken, es muss dann wieder alles wie am Schnürchen klappen, am besten sofort. So funktioniert das aber nicht. Pflanzliche Aphrodisiaka erregen nicht im klassischen Sinn, sondern sie erwärmen und beleben unter anderem den unteren Bauch, den Genitalbereich. Wir kennen diesen Effekt ähnlich von Ingwer, Chili und Zimt. Einige andere machen den Kopf ­klarer, wie Rosmarin. Seit dem Altertum werden solche Pflanzen verwendet, damit man sich zum Beispiel gut auf etwas fokussieren kann. So ist es auch bei pflanzlichen ­Aphrodisiaka. Manche entspannen eher, andere können ­etwas ­anfeuern.

Wie ist die Damiana-Pflanze eigentlich eine traditionelle Heilpflanze bei Libidoverlust geworden?

Die Pflanze wurde nach dem Heiligen Damian, einem der Schutzheiligen ­medizinischer Berufe, ­benannt. Schon bei dem Volk der Maya wurde ­Damiana als Heilpflanze eingesetzt. Ihr wurde zum Beispiel seit jeher eine stimmungsaufhellende, angstlösende und sogar leicht antidepressive ­Wirkung nachgesagt. Außerdem wirkt sie stressmindernd und leicht ­euphorisierend. Positiv ist auch, dass sich die Einnahme behutsam auf den Testosteronspiegel der Frau auswirkt. Ein hochwertiger Damiana-Extrakt intensiviert die Erregung und entspannt gleichzeitig den Genitalbereich. Mit all diesen vielen guten Eigenschaften wird Damiana seit Jahrhunderten als ­libidosteigernde Pflanze verwendet.

Die Damiana-Pflanze kann bei Libidoverlust also eine Unterstützung auf dem Weg zurück zur lustvollen Sexualität sein. Haben Sie noch ein paar Tipps für den besseren Umgang mit diesem Thema?

An dieser Stelle möchte ich noch einmal betonen: Keine Lust zu haben, ist keine Krankheit! Es ist ­aber gut, dass es kein Dauerzustand bleiben muss. ­Was mir in der Praxis recht häufig begegnet, sind Pro­bleme von Müttern mit kleinen ­Kindern in Bezug auf Libidoverlust. Sie sind meist körperlich per se schon extrem gefordert, etwa weil sie stillen, nachts ein Kind ins Bett krabbelt oder die Nächte ohnehin unterbrochen sind. Oft höre ich dann, dass sie froh sind, wenn sie mal nicht berührt werden. Allerdings berichten sie auch, dass sich ihre Lust wie ­„abgewöhnt“ anfühlt. Ratsam ist hier, ganz praktisch freie und möglichst entspannte Zeit zu organisieren. Könnte die Oma vielleicht mal aufpassen, kann das Kind am Sonntagmorgen zum Spielen zu Freunden? Ebenfalls wichtig: Bloß nicht am Abend Sex haben wollen, besser ist es am Vormittag.

Ist der Abend nicht viel einladender, sinnlicher, romantischer?

Die meisten Frauen sind am Abend erschöpft. ­Besser ist es, Inseln zu schaffen, auch mal kinderfreie Zeit. Das mag erstmal unspontan klingen. Aber anders geht es oft nicht. Je erfinderischer man ist, desto besser.

Und wie sieht es bei Frauen in den Wechseljahren aus, noch dazu in Langzeitverbindungen?

Im Grunde nicht viel anders. Es braucht hier und da aber eher ein neues Commitment, weil es möglicherweise Bedürfnisverschiebungen gibt. Frauen, die menopausale Schwierigkeiten haben, leiden teilweise unter starken Erschöpfungssymptomen. Sie schwitzen nachts, haben Herzrasen oder leiden unter vaginaler Trockenheit. Sie schlafen immer noch ­gerne mit ihrem Mann, aber fühlen sich zu angespannt oder sie haben vaginale Schmerzen. In dem Fall sollten beide Partner offen sein und bestenfalls alle Punkte ansprechen, die der Lust im Weg stehen. Wenn es ansonsten stimmig ist und beide Nähe wünschen, ist viel gewonnen. Und noch etwas: ­Humor und Gelassenheit helfen übrigens immer. Am allerwichtigsten ist ein entspannter Umgang miteinander. Und der Mut, über die eigenen Bedürfnisse, Zweifel und Wünsche zu sprechen. Und nur das zu tun, wozu man wirklich auch Lust hat.

Im Gespräch

Saskia Straße von Ridder
Heilpraktikerin mit dem Schwerpunkt Frauenheilkunde in München

www.frauennaturheilkunde.com

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