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Allgemeinmedizin

Insulinresistenz des Gehirns

Sport gegen Diabetes und Adipositas

PD Dr. rer. nat. Stephanie Kullmann

27.1.2023

Eine Insulinresistenz des Gehirns wirkt sich ungünstig auf den Stoffwechsel, das Gewicht und die Fettverteilung im Körper aus. Eine neue Studie zeigt, dass acht Wochen Ausdauersport die Insulinsensitivität im Gehirn verbessern [1]. Das eröffnet neue Ansatzpunkte für Therapien gegen Adipositas und Typ-2-Diabetes (T2D).

 Reagiert das Gehirn nicht mehr auf Insulin, wirkt sich dies auf Gehirnregionen aus, die u. a. für das Empfinden von Hunger, Sättigung sowie für das Zusammenwirken von Motivation, Belohnung, Emotionen und Bewegungsverhalten zuständig sind. Die Folgen: ein negativer Einfluss auf den Stoffwechsel, die Regulation des Essverhaltens und das Körpergewicht. Menschen mit einer Insulinresistenz im Gehirn haben eine ungünstige Fettverteilung mit erhöhtem viszeralen Bauchfett und freien Fettsäuren sowie ein erhebliches Risiko, kognitive Beeinträchtigungen zu entwickeln. Darüber hinaus führt sie dazu, dass nach einer Lebensstilintervention das Körpergewicht und vor allem das ungünstige Bauchfett wieder zunimmt. Folglich könnte die Insulinwirkung im Gehirn eine Schlüsselrolle bei der Prävention von Adipositas, T2D und damit verbundene kognitive Beeinträchtigungen spielen.

Anhand bildgebender Studien am humanen Gehirn konnten wir zeigen, dass die vielfältigen Auswirkungen der zentralen Insulinsensitivität weitgehend von der Wirkung des Hormons im Hypothalamus, Hippocampus, Striatum und Teilen des präfrontalen Kortex ausgeht. Dies belegten Messungen des zerebralen Blutflusses und der funktionellen Konnektivität nach Gabe von intranasalem Insulin.

Zudem deutet vieles darauf hin, dass die Modulation des Ganzkörperstoffwechsels durch das Gehirn von einer intakten Dopamin-Signalübertragung im mesolimbischen System abhängig ist. Zu diesem System gehören Regionen für die Belohnungsverarbeitung im Mittelhirn, das Striatum und Teile des präfrontalen Kortex mit starken Verbindungen zum Hippocampus. Gestützt wird die Hypothese durch die Beobachtung, dass der Dopaminspiegel im Striatum mit dem peripheren Glucosestoffwechsel verknüpft ist und dass die intranasale Gabe von Insulin den Dopaminspiegel im Striatum direkt beeinflusst.

Training bessert Insulinsensitivität im Gehirn

Auch beim Menschen kann regelmäßige körperliche Bewegung die langfristige Gewichtskontrolle fördern und das Risiko für T2D deutlich verringern. Zu den zugrunde liegenden Mechanismen gehören eine verbesserte Ganzkörperfettverbrennung und eine Verringerung des viszeralen Fettgewebes. Somit hat regelmäßige sportliche Betätigung das Potenzial, langfristig die Gesundheit des Gehirns zu fördern. Allerdings war es bisher noch unklar, ob es möglich ist, die Insulinempfindlichkeit des Gehirns beim Menschen durch Sport wiederherzustellen.

In einer klinischen Studie haben wir untersucht, ob Bewegung die Insulinempfindlichkeit im Gehirn verbessern kann und wie sich die Veränderungen auf den Stoffwechsel und das Verhalten auswirken [1]. Die sportliche Intervention bestand in dreimal Ausdauertraining (jeweils 30 Minuten Radfahren und 30 Minuten Walking auf dem Laufband) die Woche über acht Wochen. Dabei wurde die Intensität an das individuelle Leistungsniveau der Probanden angepasst.

Das Ergebnis der Studie zeigt: Ausdauersport verbessert die Wirkung des Insulins im mesolimbischen System im Gehirn auf das Niveau einer Person mit gesundem Gewicht und begünstigt einen verbesserten Stoffwechsel, eine Abnahme des Hungergefühls, eine Reduktion des ungesunden Bauchfetts und eine verbesserte kognitive Funktion. Und das in nur acht Wochen Trainingsprogramm.

Vor der Trainingsintervention reagierten wichtige Teile des mesolimbischen Systems unserer übergewichtigen Teilnehmer nicht auf intranasales Insulin. Nach der Trainingsintervention kam es zu einem erhöhten Blutfluss im Striatum und einer verstärkten hippocampalen Verknüpfung zum präfrontalen Kortex. In einer Kontrollgruppe, die nicht an einer sportlichen Intervention teilgenommen hatte, wurde keine derartige Verbesserung der Insulinwirkung im mesolimbischen System festgestellt. Die Insulinwirkung im Striatum veränderte sich über einen Zeitraum von acht Wochen nicht (Abb.).

Studienteilnehmer der Interventionsgruppe mit einer verbesserten striatalen Insulinsensitivität ­zeigten eine signifikante trainingsinduzierte Reduktion der viszeralen Fettmasse, eine erhöhte mitochondriale Atmung in der Skelettmuskulatur und eine Reduktion in der Bewertung des Hungergefühls. Die gesteigerte neuronale Plastizität im ­Hippocampus gehört bekannterweise zu den ersten trainingsbedingten Verbesserungen im Gehirn. In Übereinstimmung mit diesen Erkenntnissen beobachteten wir als Reaktion auf den Ausdauersport eine verstärkte Insulinwirkung im Hippocampus. Dies scheint zu klinisch relevanten Verbesserungen zu führen, da die wiederhergestellte insulinabhängige hippocampale Konnektivität mit einer besseren ­kognitiven Funktion nach dem Trainingsprogramm verbunden war.

Die Studie deutet darauf hin, dass die Insulin­resistenz im Gehirn möglicherweise umkehrbar ist. Acht Wochen Ausdauersport können helfen, die Insulinempfindlichkeit des Gehirns bei stark übergewichtigen Erwachsenen wieder­herzustellen. Diese Erkenntnisse eröffnen neue Ansatzpunkte für Therapien gegen Adipositas und Diabetes. Um zu überprüfen, ob die Ver­bes­serung der Insulinsensitivität des Gehirns bei Menschen mit T2D tatsächlich positive Aus­wirkungen auf den Stoffwechsel hat, sind noch weitere Studien geplant.

Die Autorin

PD Dr. rer. nat. Stephanie Kullmann
Gruppen- und stellvertretende Leiterin des „Metabolic Neuroimaging“ Teams bei Helmholtz Munich an der Universität Tübingen

stephanie.kullmann@med.uni-tuebingen.de

  1. Kullmann S et al., JCI Insight 2022; 7: e161498
Weitere Artikel aus dieser Serie finden Sie hier

Bildnachweis: Deutsche Diabetes Gesellschaft e. v., Dirk Deckbar

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