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Brustkrebsmonat

Zur Brustvergrößerung oder nach Mastektomie

Risiken von Silikonimplantaten der Brust

Prof. Dr. med. Ingrid Gerhard

10.10.2023

Obwohl seit Jahrzehnten weltweit Brustoperationen mit Silikonimplantaten durchgeführt werden, gibt es bis heute keine standardisierte Datenerhebung zu möglichen Langzeitfolgen. Patientinnen müssen – auch nach onkologischen Operationen – vernünftig über die Langzeitrisiken von Silikonimplantaten aufgeklärt werden.

Auf Basis von Herstellerangaben geht man von ca. 10 Mio. Implantatträgerinnen bei ca. 35 Mio. verkauften Implantaten weltweit aus. Laut Statista werden jedes Jahr weltweit 1,8 Mio. und in Deutschland ca. 66.000 Brustvergrößerungen mit Implantaten durchgeführt. Hier sind auch die Operationen aufgrund von Komplikationen enthalten. Man geht davon aus, dass jedes dritte Implantat ausgetauscht oder entfernt werden muss.

Breast implant illness (BII)

Bei dieser Erkrankung handelt es sich um das Vorkommen unterschiedlichster Symptome, über die Patientinnen mit Silikonimplantaten klagen: Hautausschläge, Gelenkbeschwerden, Fatigue, Kopfschmerzen, Haarausfall, Tinnitus, Lymphknotenschwellungen, Gedächtnisstörungen, Übelkeit usw. Wegen der Unspezifität der Beschwerden wurden die Patientinnen häufig der Psychosomatik zugewiesen oder mit Psychopharmaka behandelt. Erst seit wenigen Jahren wird den Hinweisen nachgegangen, dass es sich um eine Unverträglichkeit von Silikon handeln könnte (silicone implant incompatibility syndrome, SIIS), einem autoimmunen, entzündlichen Syndrom, das durch ­Adjuvantien hervorgerufen wird (autoimmune/inflammatory syndrome induced by adjuvants, ASIA).1

Trotz unterschiedlicher Zusammensetzung der Silikonimplantate, was deren Oberfläche und Siliciumpolymere betrifft, hat sich in den vergangenen 30 Jahren die Häufigkeit und Symptomatik dieses Syndroms nicht verändert.2 Die ­positive Nachricht ist, dass 50–75 % der Patientinnen eine wesentliche Besserung ­erfahren, wenn die Implantate entfernt werden.3–5 Liegen jedoch bereits ­Autoimmunerkrankungen vor (5- bis 10-mal häufiger als bei Frauen ohne ­Implantate), so muss gleichzeitig eine immunsuppressive Therapie erfolgen. Als Ursachen für die BII werden diskutiert: kontinuierliche Freisetzung von Silikon aus den Implantaten (Silikon-Bleeding), Verteilung der Silikonbruchstücke im ­gesamten Organismus mit daraus resultierender Zellzerstörung6 und Immunreaktion. Bakterielle Besiedelung der Implantate7,8 konnte ebenfalls nach­gewiesen werden.

Breast implant-associated anaplastic large cell lymphoma (BIA-ALCL)

BIA-ALCL ist eine Tumorerkrankung, die durch Implantate verursacht wird. Es handelt sich dabei um eine Unterart des Lymphoms ALCL. Die absoluten Zahlen der Erkrankungen liegen aktuell bei weltweit 964 gemeldeten Fällen und 36 bestätigten Todesfällen. Das BfArM veröffentlicht 30 gemeldete Fälle in Deutschland. Die Zahlen zur Wahrscheinlichkeit an BIA-ALCL zu erkranken schwanken zwischen 1/2.832 und 1/30.000 Frauen. Von 1992–2017 wurde eine Kohorte von 3.546 Patientinnen verfolgt (im Median 8 Jahre), die 6.023 Brustrekonstruktionen, überwiegend nach Brustkrebs, hatten. Das Gesamtrisiko von BIA-ALCL betrug 0,311 Fälle auf 1.000 Personenjahre.9

Mittlerweile ist bewiesen, dass dieser Krebs, obwohl er selten auftritt, für die Betroffenen potenziell tödlich verlaufen kann. Nach wie vor ist es schwierig, ­diese Krankheit zu erkennen. Die eindeutigen Symptome sind Flüssigkeitsansammlung um das Implantat herum und intrakapsuläre Zellmassen, häufig begleitet von einer starken Kapselfibrose. Allerdings berichten die Betroffenen auch von allgemeinen Symptomen wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, vergrößerten Lymphknoten und anderen Symptomen ohne Auffälligkeiten am Implantat. Nach derzeitigem Stand war bei der Mehrzahl der Fälle ein Implantat mit einer strukturierten Oberfläche zum Zeitpunkt der BIA-ALCL-Diagnose ursächlich oder eine klinische ­Vorgeschichte eines strukturierten Implantats zu einem ­früheren Zeitpunkt. Die Füllung des Implantats war nicht entscheidend, sowohl Silikongel- als auch Kochsalzimplantate können diese Krankheit auslösen.

Zur Diagnose eignen sich der US und das MRT, wobei aber zusätzliche Gewebe-, bzw. Exsudatproben untersucht werden müssen. Die Entwicklung von Biomarkern hat inzwischen Fortschritte gemacht.10,11 Immunhistochemisch kann CD30 eingesetzt werden, ist der Test negativ, kann BIA-ALCL ausgeschlossen werden. Ist CD30 positiv, müssen weitere Untersuchungen folgen.

Die Behandlungsergebnisse und Überlebensraten bei BIA-ALCL sind gut. Sollte diese Krankheit ausschließlich im umliegenden Kapselgewebe zu finden gewesen sein, ist die fachgerechte en bloc Explantation des Implantats und der Kapsel für eine Heilung ausreichend. Bei einigen Patienten kann es allerdings zu Metastasen­bildung auch außerhalb des Brustgewebes kommen. Dann ist eine allgemeine Krebsbehandlung indiziert. Bisher sind die Auswirkungen von Silikonimplantaten bei Brustkrebspatientinnen auf die Entwicklung ihrer eigentlichen Brustkrebs­erkrankung kaum berücksichtigt worden. In einer aktuellen Kohortenstudie war z. B. das krankheitsfreie Intervall signifikant niedriger, wenn zum Brustaufbau Implantate mit texturierter Oberfläche statt mit glatter Oberfläche gewählt ­worden waren.12

Fazit

Eine Registerpflicht für Brustimplantate ist in Deutschland längst überfällig. Ein entsprechendes Gesetz ist inzwischen auf den Weg gebracht. Kliniken und Ärzte sollten die Chance nutzen und Kohortenstudien planen, um die Sicherheit für ihre Patientinnen zu erhöhen. Patientinnen sollten über die Langzeitrisiken von Silikonimplantaten aufgeklärt werden. Inzwischen gibt es weltweit Selbsthilfegruppen mit ca. 150.000 Frauen in fast jeder Sprache. Aktuell wurde eine deutsche Selbsthilfegruppe gegründet, die von zwei sehr engagierten, ehemals betroffenen Frauen und einer Ärztin betreut wird: www.risikenvonbrustimplantaten.de

1 Cohen Tervaert JW et al., Immunol Res 2013. 56(2–3): 293–298
2 Colaris MJL et al., Immunol Res 2017; 65(1): 120–128
3 Brawer AE, Lupus 2017; 26(10): 1060–1063
4 de Boer M et al., Immunol Res 2017; 65(1): 25–36
5 Wee CE et al., Ann Plast Surg 2020; 85 (Suppl 1): s82–s86
6 Onnekink C et al., Sci Rep 2020; 10(1): 9558
7 Barnea Y et al., Aesthet Surg J 2018; 38(11): 1188–1196
8 Lee M et al., Plast Reconstr Surg Glob Open 2020; 8(4): e2755
9 Cordeiro PG et al., J Plast Reconstr Aesthet Surg 2020; 73(5): 841–846
10 Kadin ME et al., Aesthet Surg J 2020; doi: 10.1093/asj/sjaa302
11 Los-de Vries GT et al., Blood 2020; doi: 10.1182/blood.2020005372
12 Lee KT et al., JAMA Surg 2020; doi: 10.1001/jamasurg.2020.4124

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Bildnachweis: GettyImages/Gogiya

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