- Anzeige -
Allgemeinmedizin

Erkrankung der peripheren Nerven

Behandlung des Karpaltunnelsyndroms

Nicole Hein

6.10.2023

Merkmale des Karpaltunnelsyndroms sind Kribbeln, Brennen und Taubheitsgefühle in Daumen, Zeige- und Mittelfinger. Bei fortgeschrittener Erkrankung kann es zu einer Atrophie kommen. Rund 300 000 Karpaltunnel-Operationen werden jährlich durchgeführt. Noch relativ neu ist dabei die „Wide-Awake-Technik“.

Das Karpaltunnelsyndrom ist das häufigste ­Engpass-Syndrom eines peripheren Nervs [1]. „Zwischen 2 % und 5 % der Bevölkerung und überdurchschnittlich viele Frauen erkranken im Laufe ihres Lebens an einem Karpaltunnelsyndrom. So wundert es nicht, dass es sich bei der operativen Behandlung um die zweithäufigste ambulante Operation in Deutschland handelt“, erklärte Prof. Dr. med. Dr. med. habil. Michael Sauerbier (Bad Homburg v. d. Höhe) und ergänzte, dass lediglich der Graue Star häufiger operiert werden würde [2]. „Bundesweit wird der Karpaltunnel-Eingriff rund 300 000 Mal pro Jahr durchgeführt.“

Das nächtliche „Einschlafen der Hände“ ist ein typisches Erstsymptom und nahezu pathognomonisch [1]. Die häufig schmerzhaften Kribbelparästhesien oder nadelstichartigen Missempfindungen betreffen vorwiegend Mittel- und Ringfinger, später auch Daumen und Zeigefinger. „Daneben können Schmerzen auftreten, gelegentlich bis zum Ellenbogen oder gar in die Schulter ausstrahlen, und wie auch das Kribbeln meist bei bestimmten Tätigkeiten, wie etwa ­Lesen oder Radfahren auftreten“, sagte Sauerbier. Nachts führten die Symptome häufig zu Schlafproblemen. Im fortgeschrittenen Stadium könne es zu motorischer Schwäche kommen, weil sich die ­Muskulatur des Daumenballens zurückbilde.

Sauerbier führte weiter aus, dass bei einem unbehandelten Karpaltunnelsyndrom die Funktion des betroffenen Nervs und damit das Gefühl in den Fingern komplett verloren gehen kann. Auch könnten Betroffene möglicherweise nicht mehr ihren Daumen gegenüber den Fingern positionieren und somit Schwierigkeiten beim Greifen von Gegenständen ­haben. „Eine frühe Behandlung ist damit von besonderer Bedeutung“, betonte der Plastische Chirurg.  

Auslöser hormonelle Schwankungen

Voraussetzung für die Entstehung des Krankheitsbildes ist ein anatomischer Engpass, infolgedessen es zu Druckschäden am mittleren Armnerv kommt. „Im Grunde können Menschen aller Altersgruppen ein Karpaltunnelsyndrom entwickeln, wobei es einen deutlichen Anstieg bei den 40- bis 60-jährigen gibt“, berichtete Sauerbier und verwies darauf, dass Schwangere besonders sensibel auf Symptome ­achten sollten, da die Erkrankung oft durch hormonelle Schwankungen ausgelöst werde. Zudem ist bekannt, dass das Karpaltunnelsyndrom anlagebedingt sein kann, sowie durch Frakturen oder Erkrankungen wie Diabetes, chronische Polyarthritis oder Niereninsuffizienz hervorgerufen wird. Sehr selten können zudem Ganglien oder Tumoren der Auslöser sein. Laut Sauerbier kann in etwa 50 % der Fälle die Ursache jedoch nicht geklärt werden.

Menschen aller Altersklassen können ein Karpaltunnelsyndrom entwickeln.  

Konservative Behandlung

Im Frühstadium der Erkrankung, wenn lediglich ­Reizsymptome wie nächtliche Parästhesien bestehen, ist ein konservativer Behandlungsversuch gerechtfertigt [1]. Das ist vor allem eine nachts angelegte Handgelenkschiene, je nach Diagnose empfehlen sich z. B. ebenfalls die orale Verabreichung eines Kortikoid-Präparats oder eine lokale Infiltration von Kortikoid-Kristallsuspension in den Karpaltunnel [1].

Bei der zusätzlichen Supplementierung von Mikronährstoffen ist die wissenschaftliche Datenlage noch nicht abschließend geklärt: So haben in einer portugiesischen Studie 48 Erwachsene mit Karpaltunnelsyndrom 2 Monate lang eine Kombination aus Folsäure, Vitamin B12 und Uridinmonophosphat (UMP) eingenommen. Als Folge sanken die Schmerzen der Betroffenen innerhalb des Zeitraums signifikant, sodass die Gabe von Schmerzmitteln und entzündungshemmenden Medikamenten reduziert werden konnte [3].

Auch zur Einnahme von Vitamin B6 gibt es positive Ergebnisse: In einer Vergleichsstudie mit 40 Teilnehmern erhielt eine Gruppe über einen Zeitraum von 3 Monaten 120 mg Vitamin B6 pro Tag. Symp­tome wie Taubheit und Schmerzen in den Händen nahmen schneller ab als in der Kontrollgruppe [4]. Aller­dings verwiesen die Autoren darauf, dass noch weitere randomisierte kontrollierte ­Studien nötig wären, um die Ergebnisse weiter zu verifizieren.

Regeneration des geschädigten Nervs

Bei anhaltenden sensiblen und/oder motorischen Ausfallerscheinungen, Beeinträchtigung der Stereoästhesie und Nachlassen der Abduktions- und Oppositionskraft des Daumens bzw. einer Thenaratrophie sowie bei relevanten, den Patienten beeinträchtigenden oder durch konservative Behandlung nicht gebesserten, schmerzhaften Parästhesien besteht eine Operationsindikation. Des Weiteren kann bei  überlagernder diabetischer Polyneuropathie der operative Eingriff indiziert sein oder auch bei Schwangeren, wenn Ausfallerscheinungen vorliegen [1].

Der Eingriff erfolgt entweder unter Vollnarkose oder Plexusanästhesie. „In den letzten Jahren habe ich mich dafür eingesetzt, in Deutschland die sogenannte ‚Wide-Awake-Technik‘ zu etablieren. Dabei handelt es sich um eine offene Operation in Lokalanästhesie, die nur zwischen 10 und 15 Minuten dauert“, erläuterte Sauerbier. Der operative Standard sei dann die Karpaldachspaltung bzw. eine weniger oft eingesetzte minimalinvasive endoskopische Technik.

Nach dem Eingriff ist ein Watteverband oder ein Verband mit leichter Kompression im Wundgebiet erforderlich. Eine kurzzeitige Ruhigstellung des Handgelenks durch eine Schiene ist möglich, Vergleichsstudien zeigten jedoch keine erkennbaren Vorteile einer postoperativen Schienung des Handgelenks [1]. Zur Rehabilitation sind Bewegungsübungen der Finger und des Handgelenks, möglichst unter Anleitung durch einen Therapeuten, sinnvoll. Um die Regeneration der Nervenschädigung zu ­fördern, können bestimmte Mikronährstoffe zugeführt werden. Das sind vor allem die bereits genannten „Reparatur-Bausteine“ Uridinmonophosphat, Vitamin B12 und Folsäure, die zur Aktivierung körpereigener Reparaturvorgänge geschädigter Nerven beitragen.

1 Antoniadis G et al., S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Karpaltunnelsyndroms“, Update (revidierte Fassung) 2022; AWMF-Register-Nr. 005/003, Klasse: S3
2 Pressemitteilung der DGPRÄC „Behandlung des Karpaltunnelsyndroms: Wieder alles voll im Griff“ (Stand: Oktober 2022)
3 Negrão L et al., Pain Manag 2016; 6: 25–9, DOI 10.2217/pmt.15.60
4 Talebi M et al., Adv Pharm Bull 2013; 3: 283–8, DOI 10.5681/apb.2013.046

Lesen Sie mehr und loggen Sie sich jetzt mit Ihrem DocCheck-Daten ein.
Der weitere Inhalt ist Fachkreisen vorbehalten. Bitte authentifizieren Sie sich mittels DocCheck.
- Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

123-nicht-eingeloggt